Verstörendes Schweigen

THEATER: „Lauter Stille“ – Uraufführung bei zeitraumexit

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Mannheimer Morgen

Der erste Schritt vollzog sich deutlich vernehmbar: DJ Sportwagen hielt die Luftmolekühle der neuen zeitraumexit-Heimstatt in ruheloser Bewegung, Asli Sungu und Mariana Vassileva zeigten Videoarbeiten, Lindy Annis Performance-Kunst. 300 Gäste zog es zur Eröffnungsfeier in die Kauffmannmühle, die letzten Gesrpäche verebbten erst in den frühen Morgenstunden. Der zweite Schritt, mit dem das vormals in der Langen Rötterstraße beheimatete Künstlerhaus seinen Einstand im Jungbusch zelebriert, führt zwei Tage später dagegen an einen Ort verstörenden Schweigens.

Vier Darsteller verharren bei der Exit-Theater-Uraufführung „Lauter Stille“ in einem gefrorenen Moment: Drei am Tisch, einer (Thomas Schütt) sitzt abseits vor einem Radioempfänger. Das endgültige Verklingen der leisen Musik lässt ein pulsierendes Vakuum zurück. In den kommenden eineinhalb Stunden wird es fast ausnahmslos von Bewegung, Blicken, fragmentarischen Szenen gefüllt. Zwar gibt es ein Korsett von Formaten, Bewegungsstrukturen. Aber keine festgelegte Dramaturgie, der sich das Spiel der Akteure unterwirft. Regisseurin Elke Schmid nennt das „fokussierte Spontaneität“. Es gehe ihr um die Authentizität des Augenblicks, sagt sie. Was die anhaltende Stille im fensterlosen Bühnenraum bewirkt, ähnelt der Adaption des Auges an unvermittelte Dunkelheit: Erst bleibt die Sicht schemenhaft, allmählich gewinnt sie Konturen. Ein Blick den Enno Kalisch Schauspielerin Kathrin Höhne zuwirft, zaghafte, dann eruptive Bewegungen, Nico Frankenberg, der von den anderen abgewandt das Publikum fixiert.

Ohne das begleitende Wort wird die Fantasie zum Statthalter bloßer Reizaufnahme, stellt Beziehungen her, interpretiert, ahnt. Irgendwann platziert Thomas Schütt Radios neben die regungslos auf dem Boden liegenden drei, es ist eine Sterbeszene: „Horse with no name“ erklingt, Amerikas Elegie der Einsamkeit, ein Zufall. Es ist kein lustwandlerischer Spaziergang, zu dem die Regisseurin und ihr Ensemble einladen. Stille ist unbequem, sie verändert die Wahrnehmung, die Raumtemperatur steigt, das Atmen dröhnt. Eineinhalb Stunden des Schweigens sind keine kurze Zeitspanne, fordernd allemal, aber von drängender Intensität. mav

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