Dem Leben Gewalt antun

Kunst: Zeitraum Exit beleuchtet mit fünf Künstlern die Spielarten des "Tötens"

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Mannheimer Morgen

Von unserem Redaktionsmitglied Barbara Foerster

"Warum gerade eine Schau über das Töten? Es gibt doch so schöne Themen", wurde Wolfgang Sautermeister bei der Vorbereitung seines Ausstellungsprojekts gefragt. Menschen lesen in der Zeitung tagtäglich Nachrichten über Mord und Gewalt, zumeist lesen sie diese Meldungen sogar zuerst, sie schauen sich im Kino gerne blutige Action- und Splatterfilme an, und doch finden sie Kunst, die sich dem Töten widmet, morbide.

Documenta-Künstler Johan Grimonprez führt uns in dem Film "Dial H-I-S-T-O-R-Y" vor, wie Gewalt und Tod zum Medienereignis werden. Der Zusammenschnitt aus Nachrichtenmaterial, Science-Fiction-Filmen und selbstgedrehten Szenen würfelt unser Verständnis von Realität und Fiktion durcheinander. Er endet mit kitschiger Musik, zu der Flugzeuge wie lebensmüde Vögel vom Himmel stürzen und explodieren. Morbide?

"Töten" heißt die Schau in den Räumen von Zeitraum Exit in Mannheim. Und es ist wohl dieses einfache harte Wort, bei dem schon der erste Buchstabe einem Galgen ähnelt, das zunächst abschreckt. Ein wenig effekthascherisch ist der Titel schon, die Ausstellung selbst ist es nicht. Sie schockiert gerade durch die blutfreie Nüchternheit, mit der sich mindestens drei der fünf Künstler dem "Töten" als Bestandteil einer jeden Gesellschaft nähern.

Geprägt von der christlichen Ethik, die Töten als eine der zehn Sünden des Menschen verurteilt, besitzt jeder Blick auf dieses Thema eine moralische Komponente. Und je sachlicher er daherkommt, desto mehr klagt er an. Dies beweisen zumindest die Waffen-Fotografien von Raphaël Dallaportra. Wie kostbare Preziosen - gläserne Cremedöschen oder silberner Schmuck - inszeniert der Franzose Minen und Streu-Munition. Man sieht die kunstvolle Verarbeitung aus Ösen, Laschen, schillernden Stiften. Die Schönheit dieser Tötungsinstrumente ist makaber.

Mit der nüchternen Schönheit des gesellschaftlich legitimierten Todes, spielt auch Lucinda Devlin in ihrer "Todesstrafen"-Reihe, für die die Amerikanerin Todeszellen in ihrer Heimat fotografierte. Menschenleer und bis ins kleinste Detail ausgeleuchtet in der kühlen Ästhetik von Werbefotografie, erhält die kalte Brutalität des Staates ein Gesicht.

Eine intime Auseinandersetzung mit Selbsttötung gelingt dagegen Claudia Reinhardt. Geschockt vom Selbstmord ihrer Lieblingsdramatikerin Sarah Kane 1999 wurde die Deutsche angeregt zu einer Serie, in der sie die Verzweiflungstaten von Künstlerinnen nachstellte. Reinhardts Angst und Faszination ist in diesen Bilder zu spüren, die aus den Lebensmüden Heldinnen einer mutigen Entschlossenheit machen.

Der einzige Künstler, der sich spielerisch dem Thema nähert, ist Johannes Einfalt. Seine Zeichnung "Dezentrationslager" spielt mit den Friedenssymbolen der 80er: einer Taube und einem Regenbogen, unter dem heftig geschossen und gequält, aber auch ein Bäumchen gepflanzt wird. "Life is beautiful" steht über allem. Der Tod ist es auch - zumindest in der Kunst.