Von Grenzgängern und Ausgegrenzten
Bärenstarke Ausstellung von Stefano Ricci bei zeitraumexit
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Im Frühsommer 2006 mischte „Bruno“ ganz Mitteleuropa auf. Der Braunbär, der aus einem italienischen Naturpark ausgebüxt war und zwischen Tirol und Slowenien hin und her wanderte, ist ein „Grenzgänger“, so wie Stefano Ricci, dessen „Geschichte des „Bären“ jetzt bei zeitraumexit an der Hafenstraße zu sehen war.
Ausgangspunkt seiner düsteren Fabel, ist die Jagd und Erschießung von „Problembär Bruno“, der im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet einige Schafe und Ziegen riss. „Es geht um Grenzen und Grenzgänger, um Einwanderung, Auswanderung und Identität“, erläuterte Kurator Tilo Schwarz, der in die Ausstellung einführte. Es ist eine Fabel über unsere Gesellschaft, in der sich Autobiographisches und Fiktives vermischen. So wie „Bruno“ zog auch der aus Bologna stammende Künstler in ein anderes Land.
Ricci kam 2005 von Italien nach Deutschland, in einen anderen Landschafts- und Sprachraum – ein Land, in dem die Menschen nach der Wiedervereinigung und dem Zuzug von Menschen aus unterschiedlichen Ländern und unterschiedlichen politischen Systemen hart an Integration arbeiten. Ricci, der an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften lehrt und dazu beigetragen hat, dass eine ganze Generation von Zeichnern seit einigen Jahren die deutsche Comicszene belebt, erzählt die „Geschichte des Bären“ mit bissigem, hintergründigem Humor, seine Flucht vor den Jägern, und wie er nach seiner Erschießung mit dem Handy am Ohr im Nichts verschwindet, mit schwarzer Acrylkreide in groben und abstrakten Zeichnungen auf Karton gebannt.
Es ist nicht nur das kraftvoll Authentische seiner Zeichnungen, was den Betrachter fasziniert, sondern auch der gelungene Aufbau der Ausstellung: von der strengen, graphischen Anordnung seiner schwarzweißen Bilder zur „Geschichte des Bären“ an der Frontwand über große, kreisrunde Zeichnungen auf den Seitenwänden, die wie durch ein Bullauge Einblicke in das Leben des italienischen Künstlers gewähren mit zusätzlicher Farbgebung in Gelb sowie Erläuterungen in schwarzen und roten Schriftzügen. Sie erzählen mit einer vom Leben diktierten, bitterernsten Komik die Kindheitsgeschichte des Künstlers, seine Begegnung und Freundschaft mit einem behinderten Jungen, der bei einer Kissenschlacht ein tragisches Ende findet. Und schließlich „Eccoli“, die leuchtend bunten Bilder im Zentrum der Ausstellung, eine Geschichte von Ausgegrenzten, die der bekennende Anti-Psychologe Franco Basaglia wieder in die Gesellschaft zurückholte. Ricci hat sie nach einem Besuch in seiner Anstalt in der Provinz Gorizia gezeichnet. Sie sind eine Hommage an die dort lebenden Kinder.
Sylvia Osthues