Bilder mit Geschichte
Der Fotograf Dietmar Eckell und sein Projekt „Restwert“ im Künstlerhaus Zeitraumexit und in der Galerie Strümpfe in Mannheim
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An abgelegenen Orten in aller Welt macht er sich auf die Suche nach seinen Motiven. Das können vor langer Zeit abgestürzte Flugzeuge sein oder aufgegebene Eisenbahngleise. In glanzvoller Ästhetik verhilft ihnen der Fotograf Dietmar Eckell zu neuem Leben. Eine Doppelausstellung stellt den gebürtigen Pfälzer in Mannheim vor, die beiden Ausstellungsorte im Stadtteil Jungbusch sind das Künstlerhaus Zeitraumexit und die Galerie „Strümpfe“.
Wind und Wetter haben die Douglas C-47D auf Hochglanz poliert. Sie liegt in den Bergen Westkanadas. Dort hat sie nach ihrem Absturz ihre letzte Ruhestätte gefunden. Seit 1950 befindet sich das Flugzeugwrack in dieser rauen Umgebung. Und gäbe es den Fotografen Dietmar Eckell nicht, würde sie wahrscheinlich samt ihrer dramatischen Geschichte dort ein vergessenes Dasein fristen. Eckell hat die Maschine in seinem Bildband „Happy End“ verewigt, zusammen mit 14 weiteren „Vögeln“.
Die Geschichte der Douglas ist noch lange nicht abgehandelt. Das Absturzdrama endete glücklich. Alle Insassen überlebten. Der Pilot Donald King und seine neunköpfige Mannschaft wurden gerettet. Sie selbst suchten eine vermisste Maschine, die bis heute nicht gefunden wurde. Alle Wracks, die Eckell für seinen Bildband fotografierte, erzählen von Wundern. Und er erzählt von ihnen in Wort und Bild. Alle Flugzeugpassagiere überlebten die Abstürze. Denn genau das ist sein Konzept. Dafür reiste Eckell für „Happy End“ über 120.000 Kilometer, besuchte vier Kontinente und machte spektakuläre Aufnahmen, von denen nun einige in Mannheim ausgestellt sind. Ausgewählt hat sie Kurator Eric Carstensen, der künstlerische Leiter der „Strümpfe“.
In der Ausstellung „Dietmar Eckell. Restwert“ geht es aber nicht nur um Flugzeuge. Eckell verewigte auch stillgelegte Eisenbahnstrecken, verfallene Olympia-Spielstätten und Überbleibsel des Kalten Krieges. Die Fotos der Serien „Lost Tracks“, „Olympic Spirit“ und „RIP“ entstanden ebenfalls unter seiner Prämisse, Objekte zu finden, die eine Geschichte erzählen, wenngleich nicht immer mit glücklichem Ausgang. Es sind intensive Fotos, die zum Nachdenken anregen. Sie zeigen die Schönheit des Zerfalls, etwas, das der Künstler als Restwert bezeichnet. „Ich habe bewusst viel Natur mit aufgenommen. Sie holt sich ihren Raum zurück“, erklärt Eckell seine Perspektivwahl. Denn genau dort sind seine Motive eingebettet, in weiten Landschaften, in dichten Wäldern, in Sumpfgebiet oder mitten im Wasser. Sie wirken surreal, wie die Geschichten, die dahinter stecken. „Geschichten, von denen man nicht glaubt, dass sie wahr sind“, sagt der Fotograf.
Eckell entführt mit seinen Fotos an Orte, die meist verborgen bleiben. Dafür nimmt er selbst große Strapazen auf sich. Er muss sich mit dem Messer durch Dickicht schlagen, um an entlegene Brücken zu kommen. Er reist durch Landschaften, die weit weg von jeglicher Zivilisation sind, oder durch Wüsten. Rebellen brachten ihn einst in der Sahara zu einem seiner Ziele. Seine Aufnahmen entstehen teilweise mit einem ferngesteuerten Oktokopter, teilweise direkt aus der Hand heraus oder aus dem Hubschrauber. Die Idee zur Serie „Happy End“ hatte Eckell im Krankenhaus nach einem Absturz mit einem Paramotor, einem Paraglider mit Motor, in der kalifornischen Mojave-Wüste, wo er für ein anderes Projekt unterwegs war. Er brach sich das Bein, rettete sich selbst und forschte fortan im Internet nach Flugzeugabstürzen mit Happy End. Jahrelange Recherchen folgten. Manchmal suchte er die entlegenen Orte mehrfach auf.
„Ich möchte aus etwas Abgeschriebenem etwas Neues machen“, sagt Eckell. Dafür kündigte der Diplom-Kaufmann 2010 seinen Job bei der Firma Henkel, für die er in Südostasien im Marketing arbeitete. Inzwischen genießt Eckell internationales Renommee. Und er wird weitermachen, neue Orte suchen und diese wieder zum Leben erwecken, bevor sie von der Natur verschlungen werden.
Jan Millenet