Wunder der Prärie 2004 - Grußwort
Archiv 2004 Programm Grußwort
Sehr geehrtes Publikum!
Das Wunder der Prärie wird sich Ende September in Mannheim ereignen. Sie staunen? Sie verstehen Bahnhof?
Vielleicht erinnern Sie sich an das im vergangenen Jahr von zeitraum_ex!t durchgeführte Festival, dessen Motto „do you understand“ lautete. In den letzten vier Jahren hat das Team Gabriele Oßwald, Wolfgang Sautermeister, Elke Schmid und Tilo Schwarz interdisziplinäre Festivals organisiert, deren Markenzeichen ein aktuelles, spartenübergreifendes Programm unter einer jeweils besonderen Fragestellung war. Das Kind hat nun einen neuen Namen bekommen und wird sich ab diesem Herbst als neues „Wunder der Prärie“ präsentieren. Jedes Jahr wird es also ein „Wunder der Prärie“ geben. Jedes Jahr wird das Festival aber ein anderes Thema haben, wobei die Wahl des Themas nicht abstrakte kunsttheoretische Fragestellungen berührt, sondern unmittelbar mit unserer Lebenswelt zu tun hat.
Selbstverständlich erfolgen die Annäherungen und Antworten durch Künstlerinnen und Künstlern, also durchaus in einer nicht alltäglichen Sprache - oder doch? Vom 22. bis 26. September werden die eingeladenen Künstler ihren speziellen Blick auf das Thema „zuhause“ werfen und ihre Aktionen werden sich in privaten Wohnungen, im Holiday Inn, im Hauptbahnhof, in der Langen Rötterstraße und in der Alten Feuerwache abspielen. Wie immer gehören Ausstellungen, Installationen, Performances, Tanz, Theater, Video und Vorträge zum Programm.
Zeitraum_ex!t ist ein Künstlerhaus mit einer bemerkenswert konsequenten Ausrichtung auf ungewöhnliche, internationale und interdisziplinäre Kunstprojekte. Daher unterstützt die Stadt Mannheim dieses Festival gern.
Ich würde mich freuen, wenn das „Wunder der Prärie“ weit über die Grenzen unserer Stadt ausstrahlt und ein immer größeres, interessiertes und offenes Publikum fände.
Dr. Peter Kurz
Bürgermeister
ZU HAUSE
Mit dem Eintreten in die eigene Wohnung hört für den Bewohner üblicherweise das öffentliche Leben auf. Er (oder sie) ist zu Hause und kann sich nun gehen lassen. Zu Hause sind wir anders, das steht fest. Wer aber sind wir ‚im privaten’, verglichen mit der Öffentlichkeit?
Wie die Biologie lehrt, gehören Beweglichkeit, Veränderung und Anpassungsfähigkeit zu den Vorraussetzungen von Leben überhaupt; das gilt nicht nur für Kulturen, die ein anderes Verhältnis zur Natur haben. Jedes Nomadentum hat seine sesshaften und jede Sesshaftigkeit auch ihre nomadischen Momente und natürlich gehören zum Wohnen auch Ankommen und Da-Sein, etwas Schützendes und Bewahrendes. In unserer Gesellschaft jedoch haben sich die Werte, die Eigentum einerseits sowie Freiraum und Freizeit für persönliche Erlebnisse andererseits kennzeichnen, verschoben.
Mobilität, Flexibilität und „bewegtes Wohnen“ werden als notwendige Vorraussetzungen angesehen, um erfolgreich im Leben bestehen zu können. Aber es birgt auch die Gefahr der Entwurzelung und des Unbehaustseins in sich.
„Denn ohne Wohnung kommt man buchstäblich um. Dieses Umkommen lässt sich auf verschiedene Weisen formulieren, aber die am wenigsten emotional geladene ist diese: Ohne Wohnung, ohne Schutz von Gewöhnlichem und Gewohnten ist alles was ankommt, Geräusch, nichts ist Information, und in einer iInformationslosen Welt, im Chaos, kann man weder fühlen noch denken noch handeln.“ (Vilém Flusser, Wohnung beziehen in der Heimatlosigkeit)
Zu Hause sein, sowohl bei sich selbst wie in der eigenen Wohnung ist Wunsch und Sehnsucht und gerade in unserer Zeit „wieder“ aktuell.
Die von uns eingeladenen Künstlerinnen und Künstler aus England, Japan, Schweiz und Deutschland werden mit ihren Arbeiten in ganz unterschiedlicher Weise auf dieses Thema eingehen und reagieren.
Wohnungen, Bahnhof, Hotel und Galerieräume sind von uns ganz bewusst ausgewählt; stellen diese doch weitgehend „Übergangs-Orte“ dar, in denen unser Leben stattfindet und die unserem ständigen Unterwegssein ein kurzweiliges „Zu-hause-sein“ vermitteln können.
Wolfgang Sautermeister Juli 2004, zeitraum_ex!t Büro für Kunst e.V.