Über die Kunst des Kopierens

Festival: Supercopy widmet sich dem Verhältnis von Original und Kopie / Interdisziplinärer Ansatz / Kutiman Orchestra in der Feuerwache

Zeitung

Mannheimer Morgen

Supercopy. Schon der Name ist geklaut, von der dänischen Künstlergruppe Superflex. Jan-Philipp Possmann lacht. Der Kulturwissenschaftler und Kurator ist der Dieb. Aber: Er hat den Künstlern eine E-Mail geschickt, ihnen Bescheid gesagt, dass er ihr geistiges Eigentum - den Titel einer ihrer Arbeiten - in anderem Zusammenhang verwendet. Denn darum geht es ab morgen in Mannheim beim Festival der Samplingkultur, das Possmann gemeinsam mit Sören Gerhold, dem Geschäftsführer der Alten Feuerwache, organisiert: um Original und Kopie, ums Wegnehmen und Hinzugeben.
Bis Sonntag, 10. Mai, bringen sie - gemeinsam mit Zeitraumexit - in Mannheim ganz verschiedene Institutionen zusammen: an vier Tagen, an vier Spielorten, mit 16 Programmpunkten. Sie widmen sich dabei "dem wandelnden Verhältnis von Original und Kopie". In Vorträgen und Workshops, bei Konzerten und Partys. Es geht nicht nur um Musik, es geht auch um Kunst, Performance und Theater, um Technologie und Wirtschaft. "Wir haben ein Thema gesetzt, kein Genre", sagt Possmann. Denn abgekupfert wird überall, geistiges Eigentum wiederverwendet, abgewandelt, zu Neuem gemacht.
Sören Gerhold nennt ein populäres Beispiel aus jüngster Zeit: den Hit "Easy" von Panda-Rapper Cro. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass viele junge Leute nicht wissen, dass das Instrumental auf einem Bobby-Hebb-Song basiert." Gerhold und Possmann ziehen eine klare Grenze zum simplen Covern oder gar zum platten Diebstahl geistigen Eigentums: "Sampling ist für uns, wenn man etwas nicht nur benutzt, sondern auch etwas zurückgibt, etwas Neues draus macht, dem Alten ein Plus gibt", betont Kurator Possmann.

Rechtliche Fragen im Blick
Doch nicht nur die Kunst des Kopierens selbst ist Thema bei Supercopy. Denn immer schwingt sie mit, die Frage nach dem Rechtlichen. "Ein Thema, das sich nie ganz erledigt - weil es keine eindeutige Handhabe gibt", sagt Possmann. Beide Festivalleiter halten gut gemachte Kulturabgaben für einen sinnvollen Ansatz, diskutieren über Creative Commons, eine Non-Profit-Organisation, die Urheber mit vorgefertigten Lizenzverträgen bei der Freigabe ihrer Inhalte unterstützt.
Die Supercopy-Organisatoren wollen auch über den Tellerrand schauen: fragen, wann eine Kopie noch Kopie ist - und wann etwas Neues. Sie wollen wissen, was eigentlich nach Original und Kopie kommt, und warum das Thema grundsätzlich eher negativ belegt ist. Immerhin sei das Kopieren beispielsweise in der asiatischen Malerei "eine edle, ehrwürdige Kunstform". "Wir wollen auch zeigen, dass heutzutage - wenn man so will - eigentlich gar nichts mehr original ist", sagt Sören Gerhold. "Und dass das nicht unbedingt schlecht ist."

Der Blick ins Supercopy-Programm zeigt, dass die Besucher ein vielseitiges interdisziplinäres Programm erwartet: Professor Wolfgang Ullrich spricht etwa über "Kopieren als Kulturtechnik" (morgen, 19 Uhr, Zeitraumexit), Ludwig M. Eichinger, Leiter des Instituts für Deutsche Sprache, fragt: "Was darf die Wissenschaft?" und redet über "Möglichkeiten und Grenzen von Copy/Paste" (Samstag, 17 Uhr, Studio Feuerwache). Die Produzenten und DJs Twit One und Hulk Hodn geben einen Sampling-Workshop (morgen, 20 Uhr, Studio Feuerwache).
Zu den Höhepunkten gehört sicher der Auftritt des Kutiman Orchestra in der Alten Feuerwache (Samstag, 21 Uhr): Der israelische Musiker und Videokünstler ist für sein YouTube-Projekt ThruYou bekannt, für das er Videos verschiedener Nutzer zu einem neuen Werk zusammengeschnitten hat.
Auf der Webseite zum Festival zitieren die Leiter Mark Getty, den Sohn eines Öl-Milliardärs und Inhaber einer Bildagentur. Getty nennt geistiges Eigentum "das Öl des 21. Jahrhunderts". Ist es das wirklich? Ja und nein, findet Possmann. Hier treffe eine alte Denkweise auf eine neue Technik und eine neue Zeit. "Fossile Rohstoffe sind endlich, geistiges Eigentum ist es nicht." Dennoch sieht er eine Parallele: "Ökonomisch gesehen hat Getty recht - Ideen werden immer wichtiger."

Anne-Kathrin Jaeschke