Alltag ohne großes Drama
Comic-Ausstellung "Nothing Special" im Mannheimer Künstlerhaus Zeitraumexit stellt acht internationale Nachwuchskünstler vor
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Beim Stichwort Comic denkt man in Deutschland an Superhelden-Heftchen und Donald Duck, aber kaum an Kunst. Im Mannheimer Künstlerhaus Zeitraumexit ist derzeit eine Comic-Ausstellung zu sehen, die zeigt, dass die kleinen Bildergeschichten auch künstlerischen Ansprüchen genügen können.
Der Titel „Nothing Special“ soll dabei allerdings nicht heißen, dass es sich bei den Comic-Zeichnungen der acht ausstellenden Künstler um „nichts Besonderes“ handelt. Die Assoziation sei ihm durchaus bewusst, sagt Kurator Tilo Schwarz schmunzelnd. „Aber ich habe den Titel trotzdem gewählt.“ Denn das verbindende Element der Arbeiten ist das Alltägliche. „In den Bildern gibt es kein großes Drama, keine spannende Geschichte“, erklärt Tilo Schwarz. „Der Fokus liegt auf der eigenen Wahrnehmung von Welt, auf den kleinen Dingen des Alltags.“
Schwarz ist bekennender Comic-Fan. Als Mitglied des Leitungsteams des Mannheimer Künstlerhauses organisiert und kuratiert er regelmäßig Comic-Ausstellungen. Seine Wahl fiel diesmal auf acht junge Nachwuchs-Künstler, die sich außerhalb der gängigen Formate bewegen, deren Werke auch nicht von großen Verlagen abgedruckt werden. Sie stammen aus den Benelux-Ländern, den USA, aus Brasilien und Argentinien.
Dass alle Künstler hauptsächlich schwarz-weiß zeichnen, sei mehr oder weniger Zufall gewesen, sagt Tilo Schwarz. Aber es ist genau dieser Umstand, der der Ausstellung eine große Stringenz und eine gewisse Tiefe verleiht. Alle Zeichner setzen sich auf unterschiedliche Weise mit dem Thema Alltag und Gesellschaft auseinander.
Die Bandbreite der Stile ist dabei sehr groß. Da sind die fast schon rudimentären Zeichnungen der Schwedin Andrea Bjurst, die aber gerade in ihrer Reduziertheit eine starke Ausstrahlung haben. Bei den Werken der Amerikanerin Sarah Beth Schneider blitzen ein paar Farbtupfer auf. Ihre Zeichnungen fokussieren sich auf die Grenzen, denen man im täglichen Leben ganz konkret begegnet: Backsteinmauern oder Maschendrahtzäune sind ihre Motive. Schwarz beeindruckt dabei vor allem die Genauigkeit, welche die Künstlerin mit ihrem feinen Bleistift erreicht. Der argentinische Comic-Zeichner Berliac beschäftigt sich in seinen aktuellen Arbeiten mit Bildsequenzen, die Abläufe dokumentieren – beispielsweise die verschiedenen Verwesungsstadien eines Fuchses oder das Rauchen einer Zigarette. Sexualität ist das Thema der Zeichnungen von Martha Verschaffel aus Belgien.
Gerade in Belgien und Holland habe der Comic einen viel höheren Stellenwert als in Deutschland, weiß Tilo Schwarz. „Die kulturelle Wahrnehmung ist anderes. Der Comic ist dort eine feste künstlerische Größe.“ Anders als in Deutschland, wo Comic in den 1950er und 1960er Jahren als gesellschaftsschädigender Schund abgetan wurden. „Damals fanden sogar Comic-Verbrennungen statt“, erzählt Tilo Schwarz. Vor allem die Buchverlage hätten die Comic-Hefte damals als Konkurrenz gesehen. „Dabei steckt natürlich viel mehr dahinter als nur Fix & Foxi.“ Denn bei Comic geht es auch um Themen wie Satire und Gesellschaftskritik. Bereits die „Peanuts“ zeigten Strukturen und Neurosen der amerikanischen Gesellschaft auf.
Mit den regelmäßig stattfindenden Comic-Ausstellungen möchte Tilo Schwarz die kulturelle Wahrnehmung des Comics verändern. Die Ausstellungen sind mittlerweile in Künstlerkreisen bekannt, auch deshalb haben alle angefragten Zeichner zugesagt. Das Künstlerhaus in Mannheim ist fast die einzige Plattform in Deutschland für ihre Arbeiten. Das Interesse für Comic als Kunstform ist durchaus vorhanden, das zeigt die große Nachfrage für einen Comic-Workshop, den die ausstellende Künstlerin Sarah Beth Schneider am vergangenen Montag im Künstlerhaus gegeben hat.
Olivia Kaiser