Am Webstuhl des Lebens

PERFORMANCE: Ein-Frau-Stück mit Nähmaschine im Mannheimer Zeitraum-Exit

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Mannheimer Morgen

Des Seiles Fäden find ich nicht mehr; verflochten ist das Geflecht" singt in Wagners Götterdämmerung die erste Norn unter drohendem Kontrollverlust. Längst sind es keine altgermanischen Erdgeister mehr, die an den Schicksalsfäden der Menschen spinnen und weben, sondern Eigenverantwortung und Individualität des aufgeklärten Ichs. Was aber webt sich der Mensch in seiner modernen Freiheit zurecht?

Die Schauspielerin Kathrin Höhne geht dieser Frage an der guten alten Pfaff-Nähmaschine nach, die Regisseurin Elke Schmid und Ausstatter Tilo Schwarz als Bild für den Webstuhl des Lebens gefunden haben. "Andere - ein Spiel mit Identitäten" um die zeitlose Frage "Wer bin ich" nennt sich der jeweils unterschiedliche Schauspielabend mit Improvisationscharakter, den sie im "Zeitraum Exit - Ausgangspunkt Theater" eingerichtet haben.
Ratternd näht sich Kathrin Höhne durch Facetten, Wünsche und Abgründe ihrer weiblichen Identität, ihres Schauspielerberufs und der Lebensentwürfe anderer. Aus einem Regal voller Kostüme, Perücken und Requisiten zieht sie einzelne Stücke heraus und schlüpft in Rollen ihrer Vergangenheit, ihrer Zukunft, Sehnsüchte oder Ängste. In nahezu rituellen Zwischenspielen näht sie zum Rollenausstieg die jeweiligen Kostümteile aneinander bis ein textiles Kunstwerk entsteht, ein Patchwork des Ichs.
Mit ruhiger Sprache und deutlicher Diktion spricht sie gewonnene Erkenntnisse ihrer Entwicklungsstufen in ein Mikrofon, während Dias von berühmten Schauspielerinnen wie Romy Schneider und Ingrid Bergmann an die Wand projiziert werden. Zu laufen, sprechen, lügen und schweigen hat sie ebenso gelernt wie zu tun und zu lassen.
Changierend zwischen männlicher Projektion und weiblichem Wünschen glänzt sie als Lady in Black in Lack, räkelt sich als Pin-up-Girl im Rotlicht, wird von der Pretty in Pink zur Bella Rosa, die als Tante Rosa endet: von der Frau im Schatten mutiert sie zur Frau im Spiegel. Das ist streckenweise spannend, oft auch redundant und von einiger Überlänge, vor allem deshalb, weil das Ablaufmuster schnell durchschaut ist und wenig Unerwartetes birgt.

Wie glücklich ist frau mit dieser vermeintlichen Selbstbestimmtheit? Lakonisch korrekt nennt Kathrin Höhne Name und Datum und zitiert abschließend eine Bühnenfigur namens Baronin von Stetten. Ihr hat Ödön von Horváth in "Zur schönen Aussicht" einen der schönsten Sätze für die Bühne des Lebens in den Mund geschrieben, der die Crux der modernen Freiheit auf den Punkt bringt: "Eigentlich bin ich ganz anders, ich komme nur nicht dazu!"

Ralf-Carl Langhals

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