Das Theater lebt vom Spielen

Schauspiel: Das Festival "97m überm Meer" zeigt im TiG7 freie Theatermacher und Performancekünstler aus der Region

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Mannheimer Morgen

 

Von unserem Mitarbeiter Bernd Mand

Zum zweiten Mal öffneten das Mannheimer Theater TiG7 und das Künstlerhaus Zeitraumexit wieder ihre Räume für das "97m überm Meer"-Festival für die freie Theater- und Performance-Szene der Region. Entscheidend für die Teilnahme an dieser unkuratierten Werkschau war auch in diesem Jahr nur der Eingangsstempel auf der Anmeldung. Formale oder inhaltliche Vorgaben werden hier keine gemacht und es fragt auch keiner nach einer langjährigen Bühnenerfahrung. Eine Idee, die man lose vom 100-Grad-Festival in Berlin übernommen hatte, wo sich jährlich über 100 Gruppen an mehreren Tagen dem Publikum vorstellen.

Unterm Strich bedeutet das vor allem eins: ein vollgepacktes Programm mit großen Sprüngen in Format und Inhalt, das für Zuschauer und Veranstalter gleichermaßen große Überraschungen bereithält. In den beiden Mannheimer Häusern gaben jetzt bei der diesjährigen Festivalausgabe sieben Gruppen einen Einblick in die freie Theaterszene. Mit "Wo bleibt Tell" eröffnete die Theatergruppe Augenblick Theater vom Mannheimer Jugendkulturzentrum Forum den dicht bepackten Abend im TiG 7. Das zwölfköpfige Ensemble von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sezierte scharfsinnig bis bösartig den Kult um den Schillerhelden Wilhelm Tell in einer beindruckenden Text- und Spielcollage.

Boris Ben Siegel und Coralie Wolff vom Mannheimer Theater Oliv setzten sich in einem Ausschnitt aus ihrem Theaterstück "Wildschweine im Abendkleid" mit den zukünftigen sozialen Realitäten in unserer Gesellschaft auseinander. Den Abschluss der ersten Hälfte des Theatermarathons bildeten Dorit Rode und Özlem Zafer mit ihrer Video- und Tanzperformance "1+1 = 3", die in drei choreographischen Szenen Hip-Hop und Modern Dance verband.

Im Künstlerhaus Zeitraumexit startete die Heidelberger Theater- und Performancegruppe Rampig in den zweiten Teil des Abends. Frei nach Albert Camus' "Die Pest" lotete das junge Ensemble unter der Regie von Beata Anna Schmutz in "Danse Macabre" kleinteilig und impulsiv das Performance-Genre aus. Das Nostos Tanztheater verhandelte in "Zwei am Meer" die zwei Medaillenseiten einer Liebesbeziehung: vom unschuldigen Spiel bis zum selbstzerstörerischen Ende der Zweisamkeit in zwei Choreographien von Christina Likopoyloy. Der ebenfalls aus Heidelberg stammenden Performancekünstlerin Lu Kashka, alias Juliane Zöllner, gelang mit "sade2" eine lässig tiefgehende Miniatur, die Text, Sprache und szenische Bilder zu einem präzisen Gruppenbild übereinanderlegte.

Die Performance "Missing Body" von Nicole Schneiderbauer und Isabelle Barth, beide derzeit am Mannheimer Nationaltheater tätig, zeigte in klaren und zugleich manierierten Bildern den Umgang mit dem Ende einer Liebe und der Erinnerung, die einen scheinbar überall verfolgt. Sieben verschiedene Standpunkte, Ansätze und Wege, die naturgemäß in unterschiedlichen Qualitäten auf die Bühne kommen und diese Plattform für die freie Theaterszene der Region zu einem so spannenden Treffpunkt für Publikum und Theatermacher machen, der immer Neues parat hält. Davor sollte man keine Scheu haben, denn das Neue kann gut oder schlecht sein. Genauso wie das Alte.

Mannheimer Morgen
30. Mai 2011

Augenblick Theater vom Jugendkulturzentrum FORUM "Wo bleibt Tell" Foto: Empl