Es beginnt, bevor es beginnt

PERFORMANCE: 'Frisch eingetroffen' bei zeitraum_ex!t

Veranstaltung

Zeitung

Mannheimer Morgen

"Es beginnt, bevor es beginnt": Gabriele Oßwald vom Büro "Zeitraum-Exit" findet einleitende Worte für die Performances ihres Minifestivals "frisch eingetroffen". Damit aber hat sich dann auch Gottseidank jede Verbindlichkeit. Nach dieser Abdämpfung der der Performance eigenen Unmittelbarkeit geht es in medias res. Aber leise: Angela Hausheer aus Zürich begibt sich still zum Apfel-Laptop und produziert erstmal einen Klangteppich. Theaterproben? "Nach Moskau!" kann man einmal heraushören, dann tritt die Künstlerin selbst in Aktion, ein Strahlefräulein, das die Brüste reckt. Sie entledigt sich unter grotesken Verrenkungen und schrillen bis wütenden Lauten ihrer aufgesetzten Hysterie, schält sich die künstlichen Brustaufstockungen und das süße Jäckchen vom Leibe, kommt vom anstrengend dauerlächelnden Diven-Trip herunter in die Tiefe eines Nur-Atmens. Stille.

"Warum ich mich dir nicht anvertrau'", ein Gedicht, der plötzliche Plan eines Kopfstands. "Angel" ist eine witzige, emotional und geistig berührende Arbeit von Hausheer, eine Schauspielerinnenkarriere wird reflektiert, fast damit abgerechnet. Elemente von Theater und Happening treffen aufeinander, und das ist schließlich erklärtes Ziel des Abends, die Begegnung der verschiedenen Formen von Darstellung. Schon zum fünften Mal stellt das Künstlerhaus solche Arbeiten an der Schnittstelle von Theater, Tanz und Performance vor.

Dass das auch mit einfachsten Mitteln funktioniert, beweist nach einer weiteren verbalen Einleitung und physischen Umleitung in den Hof des Büros Angelika Fojtuch aus Polen mit "Twoja" (Deins). Ein simpler Vorgang: Die Akteurin rast in den Hof, springt einen Zuschauer an und krallt sich an ihm fest. Den Rest der Performance muss der im wahrsten Sinne des Wortes Leid-Tragende alleine bewältigen, am gesehenen Abend geschickt bewältigt durch fehlgeschlagene Übergabeversuche der aufgezwungenen Last und Entfernen aus dem Hof mit derselben.

Raffiniert Fojtuchs Wahl der Aktion, weil sie nicht nur unmittelbar, fast archaisch anmutet, sondern auch ein vielgesehenes Pas-de-Deux-Element des modernen Tanzes zitiert: Eine Frau nimmt Anlauf und springt an einem Mann hoch. Da ergibt sich eine ironische Brechung der Kunst, das Theater wird in die Spontaneität des Alltäglichen zurückgespiegelt.

Die dritte Arbeit der Berliner Truppe Phobic Inc. mit der Schweizer Performerin Regine Gyr handelt abschließend wortreich die unterschiedlichsten Ängste ab. Spielerisch und kabarettistisch führen zwei Hostessen durch eine halbe Stunde voller unaussprechlicher Phobienamen und grotesker Vorsichten. Trotz Lustigkeit und einer gewissen Suggestivität des Themas wird allerdings kaum Tiefe erreicht. Die Stärken der Grenzüberschreitung zwischen den Medien werden nicht ausgereizt, höchstens zitiert. Ein archaisch maskierter "Chlaus", der schellend umherhüpft, reicht hier nicht aus.

Insgesamt ein Abend der Gegensätze, der Vielfalt, ein wenig zu akademisch in Szene gesetzt, aber inhaltlich sehr gelungen. MW

www.morgenweb.de