Familienprojekt auf Teppichinsel

Martin und Klaus Nachbar zeigen "Repeater. Tanzstück mit Vater" bei zeitraumexit

Zeitung

Die Rheinpfalz

Weil er mehr Zeit mit seinem Vater verbringen wollte und zwar nach seinen eigenen Vorstellungen, hatte der Choreograf und Tänzer Martin Nachbar die Idee, eine Tanzperformance mit seinem Vater Klaus Nachbar zu entwickeln. Entstanden ist „Repeater. Tanzstück mit Vater“, das im Mannheimer Künstlerhaus zeitraumexit zu sehen war.

Vater und Sohn stehen sich gegenüber und blicken sich unverwandt an. Wenn der eine seinen Kopf dreht oder den Arm hebt, macht der andere die Bewegung nach. Jeder ist ein Spiegelbild des anderen. Sie berühren sich gegenseitig, ertasten ihre Körper. Jeder erkennt sich in demanderen wieder. Bewegungsabläufe, Körperlichkeit, das Wechselspiel zwischen Nähe und Distanz sind Themen, die in vielen Tanzstücken eine zentrale Rolle spielen. Doch wenn Vater und Sohn gemeinsam auf der Bühne stehen, werden diese Ankerpunkte vom Zuschauer anders wahrgenommen.
Schon zu Beginn funktioniert die Performance auf mehreren Ebenen: Klaus und Martin Nachbar schaffen sich ihren eigenen  Wirkungskreis, in dem sie die Bühne mit Teppichen auslegen. Allerdings nicht irgendwie, sondern genau auf Kante, so dass ein großes Viereck entsteht. Da nimmt der Vater genau Maß und veranlasst seinen Sohn mehrfach, Teppiche zu tauschen, damit auch alles seine Ordnung hat. So entsteht eine Teppichinsel, ein Spielfeld, eine Tanzfläche.
Gleichzeitig ist es die Aufarbeitung einer Vater-Sohn-Beziehung. Als der Sohn noch ein Kind war, hatte der Vater die Führungsrolle inne. Der Sohn schaute sich bestimmte Verhaltensmuster ab. Imitation von Bewegungsabläufen ist auch das zentrale Element von „Repeater“ – allerdings unter umgekehrten Vorzeichen. Klaus Nachbar, ein pensionierter Kaufmann ohne Bühnenerfahrung, musste bei der Entstehung des Stücks den Anweisungen seines Sohnes folgen, die Autorität des Jüngeren anerkennen. Schwierigkeiten habe er dabei nicht gehabt, erzählt Klaus Nachbar im Anschluss: „Es war klar, dass mein Sohn dabei der Chef ist.“
Martin Nachbars Choreografie steht im Zeichen des zeitgenössischen Tanzes: Zentral ist die Erforschung der eigenen Körperlichkeit und der des Anderen. Dabei leben Vater und Sohn unterschiedliche Aspekte ihrer Beziehung aus, zum Beispiel beim angedeuteten Fußballspiel mit Torjubel, einer neckischen Balgerei oder dem rituellen Ins-Bett-bringen. Es geht um familiäre Nähe und Zärtlichkeit, aber auch um Konfliktverarbeitung und Konkurrenz.
„Repeater“ entstand bereits 2007, ein- bis zweimal im Jahr führen Martin und Klaus Nachbar das Tanzstück seitdem auf. Als sein Sohn ihn gefragt habe, ob er bei einem Stück mitwirken wolle, habe er schnell zugesagt, erinnert sich der heute 76-Jährige. „Wie mein Sohn sah ich das als eine Möglichkeit, mehr Zeit miteinander zu verbringen. Ich bat ihn bloß, mein Alter zu bedenken.“
Olivia Kaiser