Hinschauen als Therapie
Kunst: Georg Winter hinterfragt im Stuttgarter Kunstmuseum Mechanismen der Wahrnehmung
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Von unserem Mitarbeiter Georg Leisten
Kameras, Notebooks und Flachbildschirme – alles aus schwarz gelacktem Holz. „Die Geräte funktionieren nicht“, denkt der Museumsbesucher. „Sie funktionieren anders“, sagt Georg Winter. Er hat Probanden vor die dunklen Monitore gesetzt und die Hirnströme messen lassen. Der mentale Effekt der Werke gleiche nachweislich dem einer Zen-Meditation. In Stuttgarts Kunstmuseum kann man es ausprobieren. Vor Fernsehern, die so schwarz bleiben wie Malewitschs berühmtes Quadrat, breitet Winter Liegematten aus.
Mit den Installationen und Performances des Saarbrücker Akademieprofessors, der in diesem Jahr auch den Hans-Molfenter-Preis der Stadt Stuttgart erhielt, wird die Medienkunst therapeutisch. So erinnern die meist vielteilig bestückten Rauminszenierungen mal an ein Feldlazarett, mal an ein Filmstudio oder das Büro eines kreativen Freiberuflers. Beuys’ soziale Plastik lebt in neuer Dimension wieder auf. Experiment, Diskussion und Fürsorge sind Fixpunkte in Winters Schaffen.
Oft begleitet die Gründung fiktiver Firmen oder Forschungseinrichtungen seine Projekte. So etwa rief er zur Produktion seiner hölzernen Kameras 1992 das Label „Ukiyo Camera Systems“ ins Leben. Beim Mannheimer Festival „Wunder der Prärie“ 2011 erkundete seine Arbeitsgemeinschaft „Anastrophale Stadt“ Probleme der urbanen Zukunft. Die Grenzen zwischen Kunst und Wissenschaft bleiben bei all dem ebenso spannungsreich offen wie die zwischen Ernst und Ironie.
Für die Stuttgarter Schau nun widmet sich der Künstler im Austausch mit Medizinern und Naturwissenschaftlern vor allem Mechanismen der Wahrnehmung. Winter gönnt gestressten Guckorganen Erholung und verabreicht uns, unter Kontrolle eines ausgebildeten Apothekers, Salben und Tropfen auf Basis der traditionellen Heilpflanze Augentrost. Denn Augen müssen viel mit ansehen, gerade im Kunstkontext.
Bis 7. Oktober, Di-So 10 bis 18
Uhr, Mi/Fr 10 bis 21 Uhr