Hoch über Normalnull

Gemeinsamer Theaterabend "97m überm Meer" von TiG7 und zeitraumexit

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Die Rheinpfalz

Von Hans-Ulrich Fechler

Seit dem großen Zuspruch vor zwei Jahren veranstalten das Theaterhaus in G7 und die Künstlergruppe zeitraumexit jedes Jahr Anfang Juni in Mannheim die gemeinsame Veranstaltung "97 Meter überm Meer". Freie Künstler aus der Region haben Gelegenheit, sich auf der Bühne zu präsentieren. Mit Bernhard Wadle-Rohe und seinem Stück "Die Küchenuhr" war bei der dritten Auflage in diesem Jahr erstmals auch Ludwigshafen vertreten.

Den Namen verdankt der Abend der Tatsache, dass Mannheim 97 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Er hat aber auch den Nebensinn, dass die Mannheimer freie Szene hoch über Normalnull liegt. Beim Publikum ist der Abend sehr beliebt. Die Veranstalter könnten, ginge es nach der Nachfrage, den Abend ohne Umstände wiederholen. So aber ist der Verkauf auf 80 Karten beschränkt, so viele, wie das TiG7 Plätze hat.

Hier begann auch der Abend mit drei Theaterstücken. Den Anfang machten die 16 Darsteller des Augenblick Theaters vom Mannheimer Jugendkulturzentrum Forum. "Kalte Herzen" heißt ihr Stück. "Wir würden weniger schwach, wenn wir aus Metall wären und unsere Herzen aus Eisen", lautete der entscheidende Satz. In ihrem Stück fand Wilhelm Hauffs Märchen vom kalten Herzen ebenso Platz wie Liebeskummer, Mobbing oder Börsenspekulationen auf Lebensmittel, die mitverantwortlich für den Hunger in der Welt sind.

"Intersubjektive Erkenntnis in Pastell" hieß die Vorstellung von drei Mitgliedern des inzwischen aufgelösten Heidelberger Tatü-Theaters. Sie setzten das Problem der Beziehung von Sprache und Gefühl, das Ludwig Wittgenstein in den "Philosophischen Untersuchungen" ausbreitet, in Szene. Die den Text illustrierenden Folterdarstellungen wirkten so realistisch, dass man versucht war, einzugreifen.

Nach einer Erzählung Wolfgang Borcherts ("Draußen vor der Tür") hat Bernhard Wadle-Rohe "Die Küchenuhr" entwickelt. Im Mittelpunkt steht ein traumatisierter Kriegsheimkehrer. Eine Küchenuhr, einziges Überbleibsel aus einem durch Bomben zerstörten Haus, wird zum wertvollen Erinnerungsstück an ein verlorenes Paradies. Die Rückblende in die Zeit vor dem Krieg besorgt ein in seiner Dunkelheit und Wortkargheit bedrückender, das Theaterstück ergänzender Film. Die Vorstellung soll auch während des Kultursommers in Ludwigshafen zu sehen sein.

Bei zeitraumexit waren überwiegend Tanztheater und Performances zu sehen. Crystal Schüttler vom Heidelberger Nostos Tanztheater legte in einem Stück über Macht, Prestige und Erfolgsdruck ein hinreißendes Solo hin. Mit einem heiteren Theaterstück über zwei Arbeitslose, die ihrer früheren Chefin aus Rache das Luxusauto zertrümmern wollen, doch sich nicht überwinden können, tanzten Martin Kornmeier und Einhart Klucke vom TiG 7 aus der Reihe eines Abends, der sich sonst eher ernsten Themen widmete.

Dessen Höhepunkt war die Voraufführung einer Produktion des Heidelberger Jugendtheaters Rampig, die ab Mitte Juli im Heidelberger Haus der Jugend zu sehen ist. "Schlachthof" heißt ihre überwältigende Performance nach Shakespeares "Hamlet". Die Tragödie dient jedoch nur als Basis für Ideenassoziationen, die elf Darsteller in Bilder umsetzen. Ihre Vorführung mit Fleischwolf, Badewanne und Stoffhäschen erinnerte an Performances des Flamen Jan Lauwers, der vor einem Jahr während der Schillertage in der Mannheimer Kunsthalle mit seiner Company einen Auftritt hatte. Mit "Insomnia" verabschiedete Silvia Szabó de Zuschauer sehr spät am Abend. Um den Schlaf gebracht worden, wie es der Titel ihrer Performance verheißt, war aber wohl hoffentlich niemand.