Ich kann die Stille nicht ertragen, deshalb muss ich reden

Das Duo Sudermann & Söderberg gibt bei zeitraumexit in Mannheim die mit Rhythmus und Gesang fesselnde Performance „A Talk"

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Die Rheinpfalz

Was ist Talk? Keinesfalls die englische Übersetzung von Gespräch. Für das Duo Sudermann & Söderberg ist Talk Rhythmus und Musik. Bei Zeitraumexit in Mannheim haben die beiden Performerinnen „A Talk" als eine fesselnde Mischung aus eigenwilligen Einzelteilen präsentiert.

Rhythmus und Gesang sind von artistischer Perfektion. Dazwischen wird meist locker geredet. Aus dem Gegensatz entsteht eine übergeordnete rhythmische Struktur: Klatschen, Schnippen, Stampfen - Klatschen, Schnippen, Stampfen, lautmalerischer Singsang. Die beiden jungen Frauen sitzen auf Stühlen nebeneinander, nur Arme, Hände und Füße tanzen. Optik und Rhythmik kommen aus dem Flamenco und fahren den Zuschauern ins Blut. Die Schwedin Alma Söderberg hat eine klassische Ballett- und eine Flamenco-Ausbildung absolviert. Sie trägt eine Bluse über Jeans. Eine Art Flamencokleid trägt die Deutsche Jolika Sudermann. Auch sie kommt vom Tänzerischen her.

Nach dem physischen Warming-up wird es lässig. Sie reden. Weil Alma Söderberg kein Deutsch versteht, reden sie Englisch. Sie reden, um nichts zu sagen. In einer Fremdsprache geht das besonders gut. Zuerst reden sie von sich: Ich bin Alma, ich bin Jolika. Ich mache... Ja, was machen sie eigentlich? Die Sätze werden nicht zu Ende gebracht und zerfleddern. Schlüsselwörter werden ständig wiederholt; sie ziehen Pausen nach sich, in denen sich die Inhalte verflüchtigen.

Sie reden über Mannheim. Wie schön sie die Stadt finden. Dies und das und jenes in der Stadt - schön. Sie reden über einen Aufenthalt in Sevilla. Ein Urlaub? Ein Praktikum? Eine Liebe! Über die Liebe reden sie ziemlich viel, für Frauen ist die Liebe Thema Nummer eins. Die in Sevilla hat nur ein paar Tage gedauert. Ein zweiter Anlauf zum Thema Liebe geht in Gesang über. Sie singen wunderschön melodisch, Alma zupft dazu auf einer Mini-Gitarre. Ja, da muss man sich doch einfach hinlegen, möchte man meinen, wenn die beiden ihre Stühle verlassen, sich mädchenhaft auf dem Boden niederlassen, als wäre er eine grüne Wiese, sich lang ausstrecken und den Gesang in kleinen Glucksern aushallen lassen.

Am spektakulärsten ist eine Passage über Fußball. Das liegt nicht nur an der Dynamik des Gegenstands. Die mit Fußstampfen und Knieklatschen an den Schuhplattler angelehnte Sitzchoreografie ist eindrucksvoll auf eine artistische Sprachakrobatik abgestimmt.
Was sagt uns die Performance „A Talk"? Man redet miteinander, nicht um etwas zu sagen, sondern um zu reden. Es entwickelt sich dabei eine dynamische Struktur. Obwohl sie bei Sudermann und Söderberg manchmal wie improvisiert erscheint, ist sie ästhetisch verfremdet. Sie haben hart und lange an der Performance gearbeitet und dabei viele anfängliche Ideen wieder verworfen, sagten die beiden im anschließenden Gespräch mit dem Publikum. Im Sommer 2009 haben sie bei dem kleinen Zeitraumexit-Festival „Frisch eingetroffen" schon einen zehnminütigen Vorläufer, der positiv aufgenommen wurde, präsentiert. Nach der Mannheimer Premiere geht die einstündige Performance „A Talk" nach Düsseldorf und Amsterdam.

Auch das Ende, das bei einer Performance mit dieser Wirkungsabsicht eine gewisse Herausforderung darstellt, ist voll gelungen. Singend gehen die beiden ab. Man hört ihren schönen Gesang durch das Gebäude hallen. Er wandert, leiser geworden, über den Hof und kommt von der anderen Seite wieder herein. Die beiden singen ungefähr: „Ich kann die Stille nicht ertragen, deshalb muss ich reden."
 

 

Heike Marx