Landminen und elektrische Stühle
Die Ausstellung "Töten" in der Performance Galerie zeitraumexit in Mannheim
Veranstaltung
Zeitung
Von unserer Mitarbeiterin Heike Marx
Der Begriff "Gewalt" ist vielfach zur talkshow-tauglichen Worthülse verkommen. In nachdenklicher Distanz zum allgegenwärtigen Modewort präsentiert Zeitraumexit seine unaufgeregt nüchterne Ausstellung "Töten". Die Ausstellung besteht hauptsächlich aus Fotos, die verschiedene Aspekte des Tötens beleuchten und wurde von Wolfgang Sautermeister kuratiert. Obwohl das Dokumentarische vom Thema her im Vordergrund stehen muss, ist die eigentliche Aussage dem Ästhetischen, also weniger dem Was als dem Wie der Darstellung, übertragen. Und das ist oft so überraschend wie verstörend.
Beispiel Landminen, in der Fachsprache Anti-Personen-Minen genannt. Weite Regionen der Erde sind damit verseucht. Die Personen, denen sie die Beine zerfetzen, sind meist Frauen und Kinder. Eine Serie zum Thema Minen des jungen französischen Photographen Raphael Dellaporta zeigt nicht, wie man erwarten würde, das Leid der Opfer, sondern die abstrakte Ästhetik der tödlichen Objekte. In ihrer Formvielfalt und subtilen Farbigkeit sehen sie aus wie edle Artefakte.
Kühl und steril wie Operationsräume hat Lucinda Devlin die Hinrichtungskammern amerikanischer Gefängnisse in Szene gesetzt. Sie sind menschenleer, sauber und gefühlsneutral, doch den Betrachter überläuft ein Schauer beim Anblick der funktionalen Vorrichtungen für den von der Gesellschaft verhängten Tod durch Injektionsspritze, elektrischen Schlag und Gas, oder des bestuhlten Podiums, von dem aus Zuschauer die Hinrichtung durch ein Fenster verfolgen. In amerikanischen Spielfilmen wird das herzzerreißend dargestellt, und die Hingerichteten sind immer unschuldig. Um Justizirrtümer und Emotionen geht es der Fotografin nicht, sondern um den Akt der Hinrichtung an sich, der niemals human sein kann.
Der junge Zeicher Johannes Einfalt aus Baden-Baden benützt Elemente des Comic, die er bis zur Unkenntlichkeit fragmentiert. Sich selbst als den beobachtenden Zeichner setzt er oft übergroß und ebenfalls fragmentarisch in den Vordergrund. Der alles in Stücke reißende Bang ist mit Blattgold unterlegt.
Claudia Reinhardt aus Berlin hat eine Fotoserie über prominente Selbstmörder aus Wissenschaft, Kunst und Literatur gemacht. Die Situation, in der sie aufgefunden wurden, hat sie nachgestellt und ist selbst in die Rolle der Selbstmörderin geschlüpft. "Killing me softly - Todesarten" lautet der Titel der Serie, die mit Erschießen, Vergasen, Erhängen alles andere als soft ist.
Für den in einer zentralen Koje laufenden Film "Dial History" des belgischen Künstlers Johan Grimonprez sollte man sich einige Zeit nehmen. In voller Länge dauert er 90 Minuten und ist eine Art Geschichte der Flugzeugentführungen und deren medialer Aufbereitung, zusammengestellt aus Medienmaterial, Spielfilmszenen und vom Künstler selbst gedrehten rekonstruierten Szenen. Die Uraufführung war 1997 auf der "Dokumenta X" in Kassel.
Im Begleitprogramm läuft heute um 20 Uhr (Ausstellung ab 19 Uhr geöffnet) Krysztof Kieslowskis "Kurzer Film über das Töten". Der Film zum fünften Gebot "Du sollst nicht töten!" zeigt unpathetisch, ruhig und ohne Lamento zwei Mörder: einen jungen Mann, der einen Taxifahrer würgt, schlägt und ihm schließlich mit einem Stein den Schädel zertrümmert, und den staatlich beauftragten Henker, der den jungen Mörder mit dem Strang hinrichtet.