Leserforum: Offene Diskussion

Zum Thema Freie Szene

Zeitung

Mannheimer Morgen

Vorweg sei betont, eine lebhafte Diskussion um kulturpolitische Fragen kann nur gut sein. So haben wir (zeitraumexit, TiG7, Theater Felina-Areal) auch mit besonderer Aufmerksamkeit den Leserbrief von Herrn Probst gelesen, um etwas über seine Gegenargumente zum Artikel „Freie Szene traumatisiert“ zu erfahren.

Was wir allerdings gelesen haben, mutet wie eine Anhäufung von Vorurteilen und  Unterstellungen an, die jede sachliche Grundlage vermissen lassen. Sollte man nicht das, worüber man schreibt und spricht, auch ein wenig kennen? Woher wissen Sie, Herr Probst, dass die Kulturschaffende der Freien Szene sich „toll“ finden und alle anderen  unverständig? Woher wissen Sie, dass das Gebotene (der Freien Szene) bestenfalls mittelmäßig und einer öffentlichen Förderung nicht wert ist? Man kann sicher bei jedem künstlerischen Beitrag darüber streiten, wie er zu bewerten ist. Tatsache ist, dass der Unterschied zwischen städtischen Einrichtungen und der Freien Szene nicht in der Qualität liegt.

Verschieden und nicht perfekt

Oft sind es unterschiedliche künstlerische Ansätze oder auch Präsentationsformen, die gezeigt werden. Für eine lebendige  Kulturlandschaft und im Grunde für jede Gemeinschaft sind Verschiedenheiten und auch Unperfektheiten notwendig, denn das ist die hervorragende Eigenschaft einer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft. Besuchen Sie doch einmal das Theater Felina, das TiG7 oder zeitraumexit; wir sprechen gerne mit Ihnen über unser Programm und unsere Vorhaben. Woher wissen Sie, Herr Probst, dass das Finanzgebaren einiger Institutionen undurchsichtig ist? Wollen Sie damit ausdrücken, dass das Kulturamt seiner Pflicht, die  Verwendungsnachweise über die geförderten Projekte der Freien Gruppen und Häuser zu prüfen, nicht ausreichend nachkommt? Richtig ist, dass die Häuser der Freien Szene für einen großen Teil ihres Budgets tatsächlich frei von städtischer Unterstützung sind. Dies bedeutet auch, dass wir den Hauptteil unserer Kosten mit privaten Geldern (Stiftungen, Sponsoren, Spenden) und Projektanträgen beim Land finanzieren, die jedes Jahr neu erwirtschaftet werden müssen.

Warum also die Polemik über den Steuerzahler, der für die „Freien“ aufkomme? Was ist dagegen einzuwenden, Herr Probst, dass auch Künstler und Kulturschaffende mit ihrer Arbeit die eigene Existenz sichern wollen? Wollen Sie damit sagen, dass diese Berufe, sofern sie nicht im Nationaltheater oder Kunsthalle ausgeübt werden, keine Berufe sind, mit denen man seinen Lebensunterhalt verdienen darf? Ich gehe nicht davon aus, dass Sie als Politiker die Stammtischparole verbreiten wollen, dass Künstler erst einmal „richtig arbeiten“ sollen. Wir wollen auch nicht davon ausgehen, dass Sie der Meinung sind,  Kultureinrichtungen müssen sich wirtschaftlich tragen (was das Oststadt-Theater offenkundig tut bei relativ moderaten Mietkosten) und hätten sonst keine Existenzberechtigung. Sicher sind Sie mit uns der Meinung, dass das hohe Gut der Kunst und Kultur in einer  Gesellschaft nicht ausschließlich nach wirtschaftlichen Maßstäben gemessen werden kann.

Wir wünschen uns eine offene Diskussion über die Kulturpolitik und die Entwicklung dieser Stadt, frei von Wagenburg-Denken und Vorurteilen. Vielleicht kommen wir dann tatsächlich auch weiter.

Gabriele Oßwald, Mannheim