Rudi-Baerwind-Preis an die vierköpfige Truppe von "zeitraumexit" verliehen

Grenzen überwinden - eine Kunst

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Mannheim "Er war mehr als ein Maler", merkte der Mannheimer Morgen an, als Rudi Baerwind 1981 starb. Als "Original, Kauz, Pan, Enfant terrible, Element des Überraschenden, des Nicht-Kalkulierbaren" würdigte ihn der Nachruf. Der berühmte wie berüchtigte Sohn der Quadratestadt landete über seinen Tod hinaus einen Coup, der bis heute nachwirkt. Sein Testament hatte nämlich mit dem Satz begonnen: "Meine leiblichen Erben sollen nichts erben!" - das Wörtchen "nichts" dick unterstrichen. Stattdessen verfügte er, dass seine Bilder einer Stiftung zugute kommen und diese einen Preis auslobt, der junge Künstler - gleich "welcher Insuition" - fördert. Baerwind schlug auch gleich einen Stiftungsvorsitzenden vor - Dieter Kunze aus der Mannheimer Kürschnerfamilie, die mit dem Künstler mehr als drei Jahrzehnte eine nicht immer einfache Freundschaft gepflegt hat.
Am Freitagabend übergab Dieter Kunze den achten Rudi-Baerwind-Preis - dotiert mit 3000 Euro - der grenzüberschreitenden Truppe von "zeitraumexit". Der frankophile Mannheimer Maler, der es schätzte, mit vehementem Geist gegen den Strich zu bürsten, unangepasst zu polarisieren, dem es gleichwohl wichtig war, das legendäre "Symposion der Künste" (1968 im quadrat L7 gegründet) in einen Ort der Begegnung zu verwandeln, hätte die Auswahl der Preisträger sicherlich begrüßt. Schließlich beschreitet das vierköpfige "zeitraumexit"-Team - Gabriele Oßwald und Wolfgang Sautermeister (Bildende Kunst und Performance), Elke Schmid (Regie) und Tilo Schwarz (Zeichnung und Licht) - ebenfalls neue Wege, indem es künstlerische Energien in ungewöhnlichen Projekten bündelt. Und wie Baerwind macht es "zeitraumexit" dem Publikum nicht immer leicht. Und dennoch geschah das Wundersame: Das Performance-Festival, das seit 2004 den Namen "Wunder der Prärie" trägt und zum Stadtjubiläum einen 400-Stunden-Marathon bot, hat sich einen festen Platz in Mannheims Kulturleben erobert.
Die Rudi-Baerwind-Stiftung lud am Freitagabend in die Kauffmannmühle im Jungbusch, wo "zeitraumexit" seit Mai 2007 sein Domizil hat. Dieter Kunze erläuterte, welche Motive die Stiftung bei der Auswahl der Preisträger bewegt hat. Eigentlich wollte Dr. Martin Stather, Ausstellungsleiter des Mannheimer Kunstvereins, die audatio halten - was jedoch ein Erkältungsinfekt verhinderte. Glücklciherweise war die Rede schon vorbereitet, so dass diese Walter Neusch, Fotograf und Mitglied des Stiftungsvorstands, verlesen konnte.
Stather ließ ausführen: "Baerwind hatte die Vision einer Zusammenarbeit der Künste - ein gEdanke, der viele bis heute nicht durchdrungen hat." Das von ihm etablierte Symposion sei ein praktischer Akt gewesen, Grenzen zu durchdringen. In "zeitraumexit"-Projekten lebe diese Baerwind'sche Vision fort. Der Kunstverein-Experte lobte: "Alles in allem sehen wir eine kleine Gruppe von engagierten Menschen, die etwas auf die Beine gestellt, im Rhein-Neckar-Dreieck die Kultur angekurbelt haben - die sich selbst die Beine ausgerissen haben, um das zum Laufen zu bringen."
"Baerwindmeeseundich" nannte Wolfgang Sautermeister seine schweigende Performance. Dafür waren neben einer kratzenden Langspielplatte Texte von Rudi Baerwind und dem Performancekünstler Jonathan Meese zu hören. Das nicht enden wollende offene Ende der Einlage irritierte so manche der Festgäste, die noch vor dem umtrunk gingen. Andere nutzten die Gelegenheit, mit dem Akteur, der zwischen Leben und Kunst auf einem Stuhl saß, ins Gespräch zu kommen.
Im Gespräch soll auch Baerwind bleiben. DAfür will ein neu gegründetes Baerwind-Forum sorgen, das den Mannheimer Maler und sein Schaffen zum hundertsten Geburtstag - im Jahre 2010 - angemessen präsentieren möchte. Ein Verzeichnis des umfangreichen Baerwind-Werkes wird gerade vorbereitet.

Waltraud Kirsch-Mayer