Schreien, Schrammen, Schmunzeln

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Die Rheinpfalz

Das Hörspiel als Autorenstück: Galerie zeitraum_ex!t in Mannheim stellt neue experimentelle Hörkunst vor Hörspiele statt Kurzfilme gab es diesmal in der Mannheimer Galerie zeitraum_ex!t. Mit einer Bar im Hintergrund, dicht gruppierten Sitzmöbeln und farbigen Ballonlampen hatte zeitraum_ex!t-Macher Tilo Schwarz dem Raum Szene-Flair gegeben. Als die Lampen langsam erloschen, öffneten sich die Hörkanäle und Stimmen, Geräusche und Musik strömten in den Raum und verwoben sich zu Klangmustern.
Mit der Verbreitung des Radios brach die Zeit des Hörspiels an. Literarisch auf den Bühnendialog ausgerichtet, erlebte es in den 50er und 60er Jahren eine Hochblüte. Das Hörbuch, das ein episches Werk akustisch nachzeichnet, ist sein der Tradition verpflichteter Nachfahre. Sein zweiter Spross ist eine neuartige experimentelle Hörkunst. Aus Insiderkreisen, wo man weltweit in Zirkeln gemeinsam hört, wie jetzt bei zeitraum_ex!t, beginnt sie allmählich die Rundfunkanstalten zu erobern.
Beim Autoren-Hörspiel beschränkt sich der Anteil des Autors nicht auf den Text, der dann von einem Regisseur mit einem Sprecherteam akustisch inszeniert wird. Der Autor macht alles selbst und liefert eine fertige CD ab. Neue Technologien eröffnen kreativen Köpfen eben neue Möglichkeiten. Der Autor ist auf der Jagd nach Stimmen und Geräuschen, um daraus Stücke unterschiedlichster Machart und Schwerpunktsetzung zu komponieren. Der klassische Dialog ist nur eine von vielen Komponenten, hat zudem ein relativ geringes Gewicht, wenn der bei zeitraum_ex!t zu Gehör gebrachte Ausschnitt repräsentativ ist.
Vorgestellt wurden die Hörstücke von Robert Schoen, Hörspielregisseur beim SWR und Ina Kleine-Wiskott, Hörspielautorin aus Frankfurt, die mit dem Plopp-Award 2003 der Berliner Akademie der Künste den Durchbruch schaffte. Schoen präsentierte einen bunten Mix als didaktisch aufbereiteten Einstieg in ein neues Genre, Der kanadische Musiker Adam Goddard verarbeitet die knorrigen Statements seines Großvaters zu einer musikalischen Komposition, was in humorvollem Gegensatz zu deren Inhalten steht. Heiner Goebbels lässt einen Heiner-Müller-Text von Passanten zu Straßengeräuschen lesen. Der Australier Gregory Whitehead entwickelt aus einer von ihm beim Rundfunk eingerichteten Hotline für Schreie eine eigene Reihe. Schmunzeln konnte man auch über das Schrammen und Quietschen von Putzlappen finnischer Studenten oder eine sprachlose „Landschaft im Krieg“ des deutschen Regisseurs Heinz von Cramer für den finnischen Rundfunk.
Das Komponieren mit akustischem Material ist bei den „Bastlern“ unter den Hörspielautoren schon lange beliebt. Während des Zweiten Weltkriegs experimentierte Jürgen Tratt mit Kriegsgeräuschen und abgehörten Radiomeldungen. Uli Gerhard hat die alte Platte gefunden und deren Defekte in seinen „Übergang über die Beresina“ mit eingearbeitet. Späte Wertschätzung erfuhr Horst Giese aus der DDR durch den Hörspielpreis der Kriegsblinden für „Die sehr merkwürdigen Jazz-Abenteuer des Herrn Lehmann“, der als Kellner mit seinem Geschirr-Geklapper die Live-Aufzeichnungen der Plattenfirmen stört ..
Ina Kleine-Wiskott stellte ihr preisgekröntes Hörspiel „Nächster Halt“ vor. Akustisch eindrucksvoll und skurril hintergründig alternieren vor einem U-Bahn-Geräuschteppichen ein Interview mit Ingrid Metz-Neun, der Sprecherin der Haltestellen-Ansagen in 40 Städten, und bizarre Monologe eines nach ihrer Stimme süchtigen U-Bahn-Dauerfahrers.
Heike Marx

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