Spielen mit roten Socken

Tanz: Das Performance-Festival "frisch eingetroffen"

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Mannheimer Morgen, Morgenmagazin

Das Performance-Festival "frisch eingetroffen" sendet zwei erfreuliche Nachrichten aus. Zum einen: Das Publikum wird als Ansprechpartner ernst genommen. Zum anderen: Der Tanz hat wieder etwas zu sagen. Überstanden ist also die Holzhammer-Phase, in der es chic war, die Zuschauer als dumpfe Schafherde zu missachten oder streitsüchtig mit grobschlächtiger Gesellschaftskritik zu überziehen.

Das Mannheimer Künstlerhaus Zeitraumexit wählte aus 35 Bewerbungen sieben Beiträge aus, die bestätigen, dass jetzt in der jungen Darstellenden Kunst ein milder Wind weht. Konfrontation zwar ist weiterhin angesagt, aber sie wird "subtiler", beurteilt Jurymitglied Gabriele Oßwald die europäische Szene. Ein breites Spektrum tut sich auf; es reicht vom scheinbaren Stillstand bis zum Bewegungswahn.

Kraftakt und Todeskampf

Rund 30 Minuten steht Silvia Szabó aus Mannheim stillschweigend auf die Zehenspitzen und strapaziert während des Kraftaktes deutlich die Geduld mancher Zuschauer. Als Gegenpol entpuppt sich Simon Tanguys preisgekrönter Verzweiflungsausbruch "Japan", der wohl angesichts der Erdbebenkatastrophe Variationen eines Todeskampfes zeigt. Die neue Wertschätzung des Mediums Tanz äußert sich in der Choreografie "Sirius, mein zweites Ich"; Kristina Veit und Pierre-Yves Diacon schlüpfen in die Rollen zweier Gestirne, die sich magisch anziehen.

Ihnen halten Sandra Wieser und Mor Demer eine humorvolle Improvisation entgegen, die rote Socken zum Spielball erhebt. Erheiternd wirkt auch die Gähn-Arie "Star" von Stefanie Grubenmann. Dagegen verursacht Elisa Müllers Monolog "Solo mit" einige Beklemmung, weil sie ihren Weg zum Glücklichwerden so unnahbar und fordernd weist. Diese Szenen, Streicheleinheiten und Zumutungen hallen lange nach. Das zeichnet sie alle aus. Am stärksten jedoch ist die "Geschichte über ein Buch" von Yurie Ido zu bewundern. Die Japanerin vermittelt die Illusion, dass sie sich im mächtigen Strom ihrer Video-Bilder auflöst.

 

Von Monika Lanzendörfer