Von Fenstern der Macht

Kunst: Jan-Philipp Possmann bei Zeitraumexit in Mannheim

Zeitung

Mannheimer Morgen

„The Windows Of The World“ heißt ein Protestsong von Burt Bacharach und Hal David. Die Fenster der Welt sind hier dunkel vom Regen und den Rauchwolken des Vietnamkriegs, der Blick nach draußen gibt die Sicht nicht frei und drinnen herrschen Verwirrung und Angst. Die Perspektive der Songschreiber ist klar: Es geht um die Opfer der politischen Machenschaften, denen man hier die Aussicht genommen hat. Aber auch die Macht hat ihre Fenster.
Jan-Philipp Possmann beschäftigt sich in seiner Lecture Performance „Der Unterschied, der die Umgebung schafft“ mit genau diesem Ausblick der Staatenlenker aus ihren Hauptquartieren und Kanzleien. Ausgehend von zwei Fotografien des Panoramafensters in der großen Halle von Adolf Hitlers Berghof in Obersalzberg baut sich  Possmann bei Zeitraumexit in Mannheim einen Denkweg von gut 50 Gehminuten. Der ist nicht ganz so steinig wie Hitlers Aussicht auf die Alpen, nicht halb so anstrengend wie die auf Video festgehaltenen Versuche, das Panoramafenster mit Dachlatten auf den Mauerresten vor Ort im Schnee nachzubauen, aber er stößt einige Kopftüren auf, die schon länger verschlossen geblieben waren oder vielleicht auch noch nie aufgesperrt worden sind.

Blick in die Popkultur
Possmann greift bei seiner Frage nach dem Blickwinkel der Macht tief in die Schubladen von Kunstgeschichte und Popkultur, bastelt Caspar David Friedrichs Felsansichten, Studien zur Zentralperspektive und das Holodeck aus „Star Trek“ in den leicht dramatisierten Vortrag und zeigt einem unter anderem, wie einfach es doch ist, sich mit dem Blick aus einem großen Fenster als oberster Machtführer zu fühlen. Ein klarer frischer Vortrag, der den Rahmen des Machtwillens bildlich zerlegt und analysiert, wo wir selbst das Sichtfeld ansetzen. Und einen vergewissert, dass man selbst durch den eigenen Blickwinkel immer noch am längsten Hebel sitzt. bema