Wenn Landschaften erzählen
Kunst: zeitraumexit in Mannheim zeigt, was im Hintergrund von Comics passiert
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Von unserer Mitarbeiterin Sarah Weik
Der Spaziergang führt hinein in das Bild, mitten in den Wald. Die eigenen Schritte lassen trockene Blätter knistern und Äste knacken. Sonst ist kein Laut zu hören. Es ist windstill. Keine Tiere sind zu sehen, keine Vögel zu hören. So detailreich sind Conor Stechschultes Zeichnungen, dass sie den Betrachter direkt in seinen Wald aus feinen Federstrichen führen. In einen schönen, etwas unheimlichen Wald. „Diese Arbeit war die Initialzündung“, sagt Tilo Schwarz. „Ich finde es unglaublich spannend, wie Conor Stechschulte eine Geschichte ganz ohne Protagonist erzählt.“ Sein Comic „Silence Country“ zeigt einen Spaziergang durch den Wald – aus der Sicht des Betrachters. Es ist der Wald selbst, der bei ihm erzählt. Sein Comic war der Anstoß für Schwarz, sich näher mit dem Hintergrund von Comics zu befassen, mit Räumen und Umgebungen. Und daraus entstand „Talking Territories“, die vierte Comic-Ausstellung, die Schwarz für das Mannheimer Künstlerhaus Zeitraumexit kuratiert und die heute Abend eröffnet wird.
Mehr als „gezeichneter Film“
Mit der Ausstellung will Schwarz zeigen, dass Comics viel mehr sind als „gezeichneter Film“ . Ein eigenes Medium, das auch ohne Protagonisten funktioniert. In dem auch der Hintergrund etwas zu erzählen hat. Selbst wenn dieser einfach nur Leere ist wie bei Anja Wickis Arbeit „Hast du das Meer gesehen?“. Eine Leere, die mehr erzählt über die Menschen als jede Sprechblase. Auch die Besucher selbst können bei der Ausstellung Teil eines Comics werden. Die fast lebensgroße Wandarbeit von Ward Zwart lädt dazu ein. Es ist ein ausgestellter Raum im Ausstellungsraum. Über die gesamte Rückwand hat der 25-jährige Belgier eine Szene gestaltet. Wobei, eigentlich sind es drei Szenen in einer. Zuerst war da das Auto, dessen Dach er gerade mit Kohle schwärzt. Dann kam das ältere Paar hinzu, dann der Schrottplatz. „So ist es immer“, sagt er. „Ich habe ein Motiv, und dann konstruiere ich die Geschichte drum herum.“ Es ist, wie er selbst sagt, eine „One-Frame-Story“. Eine ganze Geschichte in einer einzigen Szene. Die jeder für sich selbst zusammensetzen kann.
Schwieriger macht es dem Betrachter Judith Mall. Ihre Erzählweise ist verrätselt, ihre großformatigen Bilder präzise gezeichnet. Eine ganz andere Bildsprache haben die Comics von Andrea Bruno. Er arbeitet mit Tusche, die er roh aufbringt, fleckenhaft. Und aus diesen Flecken
heraus lässt er seine Zeichnung entstehen. Die Umgebung, vor der seine Geschichten spielen, ist düster und geschunden. Es sind allerdings keine kompletten Geschichten ausgestellt. Zu sehen sind lediglich Einblicke. Einblicke in die Geschichten – und in die Vielfalt der Comicszene, ihrer Bildsprache und Erzählweise. Eine Schau, die Lust macht auf mehr. Vor allem auf mehr Comics in Ausstellungsräumen.
Im Gegensatz zu Belgien oder Frankreich hat Deutschland dabei noch einiges aufzuholen.