Zwischen allen Künsten
Die Mannheimer Theater-Galerie zeitraumexit hat in der Hafenstraße ein neues künstlerisches Zuhause gefunden
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Von unserer Mitarbeiterin Heike Marx
zeitraumexit hat seine Arbeit an neuer Wirkungsstätte im Mannheimer Jungbusch aufgenommen. Das erfolgreiche Programm des Künstler-Quartetts Gabriele Oßwald, Wolfgang Sautermeister (bildende Kunst mit Schwerpunkt Performance), Elke Schmid (Regie), Tilo Schwarz (Zeichnung, Bühnenbild, Licht) verlangte nach größeren Räumen. Die wurden jetzt in der Hafenstraße mit einem zehntägigen Festprogramm eröffnet mit Party, Video-Ausstellung, eigenen und Gast-Performances und einer Theaterpremiere.
Der Weg der inzwischen international bekannten Vier führte von einem ersten Standort in den Quadraten über sieben Jahre in der Neckarstadt bis zur „Kauffmannmühle" im Jungbusch. Als aktive Künstler wie auch als Vermittler und Organisatoren agieren sie im Zwischenbereich aller Künste. Zunächst nur eine lokal begrenzte Randerscheinung, gelang es, die lokale Ressonanz mit Anerkennung in der internationalen Szene zu verbinden. Dies gipfelt in einem Festival, das 2000 mit der Ausrichtung der 9. Internationalen Performance-Konferenz begann und seit 2004 den Namen „Wunder der Prärie" trägt. Es bietet Gastauftritte, die mitunter Event-Charakter haben, Aktionen im öffentlichen Raum sowie Veranstaltungen in den eigenen multifunktionalen Räumen.
Das eigene Haus als Brennpunkt aller Aktivitäten, zu denen auch Museumsführungen, Mal- und Performance-Klassen, Theaterworkshops, Lesungen und Diskussionsrunden gehören, wird durch die Vergrößerung an Bedeutung zunehmen.
Als „Künstlerhaus" - zuvor nannte sich zeitraumexit „Büro für Kunst" - wurde es in seinem industriellen Umfeld festgeschrieben. Der Hauptraum im Erdgeschoss soll nach der einstigen Funktion „Kantine" heißen; man sieht noch den Speisen-Aufzug.
Zwei Treppenstufen führen in einen quadratischen Raum hinab, den „Kubus". Ein Stockwerk tiefer gibt es ein großes Foyer, das nach dem Fluxus-Künstler Allan Kaprow benannt ist. Im noch nicht ganz fertig gestellten Seitenbau liegen die Büros, Ateliers und der Trainingsraum. Der Weg der Künstlergruppe vom kleinen Gewerbebetrieb im innerstädtischen Hinterhof zum Industriebetrieb am Hafen kann auch als exemplarisch für die Konversion von Gewerbe- und Industrieräumen in Kunsträume verstanden werden.
Freunde alternativer Kunst waren zur Eröffnungsparty herbeigeströmt, unter ihnen viele ganz junge. Nicht nur auf sie übte das Japan- und Amerika-erprobte interaktive Tanz-Video-Spiel der in Berlin lebenden amerikanischen Künstlerin Lindy Annis magische Anziehungskraft aus. Auf der Wandprojektion geben zwei Comic-Figuren den Schritt zu Pop-Hits vor. Die Spieler ertanzen ihn sich nachahmend auf einem Pad, das die Fehlerpunkte notiert.
Tiefgründige, existenzielle Performances gab es von der aus Berlin eingeladenen Eva Meyer-Keller, die den Tod der Kirschen inszenierte, von Gabriele Oßwald, die in bräutlichem Gewand ein Stück Fleisch darbrachte, und von Wolfgang Sautermeister, der das Phänomen der Wahrnehmung untersuchte.
Groß und heftig bewegt sind zwei Videos der aus Bulgarien stammenden Mariana Vassileva: ein akrobatisch springender Anzug-Mann, ein greller Blitz über ruhiger von vielen Menschen bevölkerter Park-Szene. Klein und ruhig sind dagegen die Videos der in Istanbul geborenen Asli Sungu: eine junge Frau versucht end- und erfolglos fingernd eine im Rücken schließende Bluse zuzuknöpfen; von einer alten Frau sieht man nur die im Schoß langsam und ruhelos ineinander greifenden Hände. Beide Künstlerinnen leben in Berlin.
Elke Schmid präsentiert ihr neues Projekt „Lauter Stille". Ihr Theater kommt mit immer weniger Text aus und ist jetzt bei einem einzigen angekommen, der den Moment zwischen Ruhe und Bewegungen philosophisch als denjenigen reflektiert, in dem alles geschieht. Gezeigt wird der Wechsel von heftiger motorische Bewegung zu inhaltsschwerem Still in der Form einer Endlos-Kette, die zum Schluss willkürlich abgebrochen wird. Vier Darsteller proben Versuche von Kommunikation. Ihre persönliche Aura fixiert sie als den verschlossenen Bulligen, den sportlich Jungenhaften, den intellektuellen Softie und die Frau. Allein durch Körpersprache und Blick visualisieren sie charakteristische Muster von Kommunikation. Als Still, in dem nach dem Vorbild des Films die Zeit angehalten ist, wird deren Eigentliches ohne ablenkende Dialog-Muster aus dem Alltagsstrom herausgeschnitten. Dazwischen laufen die Figuren ziellos suchend durcheinander. Spannung und existenzielle Verweiskraft entstehen durch das hohe darstellerische Können von Kathrin Höhne, Nico Frankenberg, Enno Kalisch und Thomas Schütt.