frisch eingetroffen | 2013
Junge Stücke von jungen Menschen stehen auf dem Programm von ‚frisch eingetroffen‘. Zu sehen sind viel Tanz, Theater, Performances und Grenzgänge. Die Themen des europäischen Theaternachwuchses reichen dabei von Ikonen über Subkulturen und Selbstentleibung bis hin zum Clash der Kulturen.
Freitag, 5. Juli
BLICKAKTE | Daniel Schauf, Philipp Scholtysik, Bee Chang, Jonas Alsleben| Theater/Lecture
„Was anfangs eher den Verstand anspricht, versucht auf eine Reise in Fremdes, Unbekanntes gedanklich einzulassen, wächst sich […] zu einer stark emotionalen Fern-Reise aus." (Wiener Kurier, 23.1.2013)
Während Somalia gerade wieder mit Bildern von Hungerkatastrophen für kurze Zeit in der Weltpresse auftaucht, begleitet ein junger Journalist einen in Berlin lebenden Exil-Somali bei dem einzigen Geschäft, für das die Welt Somalia braucht: dem Import von Myrrhe. Auf seiner Reise trifft er eine taiwanesische Künstlerin und das National Theatre of Somalia. Die verschiedenen Biographien führen zum Versuch einer bio-geo-graphischen Erzählung unserer Zeit. Der Warenweg der Myrrhe von Afrika in die westlichen Länder offenbart nicht nur die Verwicklungen und Geflechte unserer Welt, sondern ermöglicht auch einen Blick auf die jeweiligen Formen, die wir verwenden und in denen wir uns bewegen, wenn wir uns dem Anderen annähern, ihm begegnen, über es schreiben, es zur Darstellung bringen.
Regie: Daniel Schauf. Video: Jonas Alsleben. Dramaturgie: Philipp Scholtysik. Mitarbeit: Carolin Millner, Malte Scholz. Idee: Ahmmed Jama Aden, Christoph Grabitz. Ein Projekt in Koproduktion mit Theater Drachengasse Wien und National Theatre of Somalia.
Waving to Virginia | Eyal Bromberg, Sebastian Zuber, Elda Gallo | Tanz
Eyal Bromberg, Sebastian Zuber und Elda Gallo ist mit „Waving to Virginia“ eine intime und persönliche Arbeit gelungen. Ausgehend von Kunst und Leben bekannter Selbstmörderinnen erzählen sie vom großen Paradox des Menschen, der zwischen Lebenswillen und Todessehnsucht schwankt. Je stärker wir uns ans Leben klammern, desto näher kommen wir dem Tod. Wir saugen das Leben auf, während es uns durch die Hände rinnt. Sollen wir den Tod ignorieren oder akzeptieren wir ihn als sinnstiftende Perspektive des Lebens? Wie begegnen wir der dunklen Seite unseres Daseins? Was weckt den Lebenswillen? Zu Beginn bedecken Notizen und Materialien aus dem Probenprozess die Bühnenwände und laden zur eigenen Recherche ein. Mit Fortschreiten des Abends überwiegt das Emotionale und Irrationale mehr und mehr, bis die Performer zu Schatten, zu verblassten Erinnerungen im Kopf der Zuschauer werden – ebenso wie die Künstlerinnen, die sie zum Vorbild genommen haben.
Breakdance dance | Petr Ochvat und Anna Prokopová | Tanz
„Ein gelungener Tauchgang unter den akrobatischen Leistungsdruck.“
(Der Standard, 17.6.2012)
Dass etwas aufzubrechen kein Gewaltakt sein muss, beweisen Anna Prokopová und Petr Ochvat in einem Breakdance dance. Der wird nicht bloß dekonstruiert, sondern mit Sorgfalt aufgelöst. Mit seiner Widerstandsstrategie Nummer eins - „Sensibilität zulassen“ - schafft das Stück Raum und Ruhe. Mit jeder Haltung werden Organe gestaucht oder gedehnt, wird Gewicht anders verteilt, werden Wege für Körperflüssigkeiten gebahnt. Was wir sehen und hören, steht in Bezug zur Position, die wir einnehmen. Jede Haltung entsteht durch zahlreiche Spannungen in Nerven, Knochen und Muskeln, hat ihre jeweils eigene Beziehung zum Raum und schlägt sich in unserem mentalen oder emotionalen Zustand oder unserer Wahrnehmung nieder. Wie lassen sich Körperpraktiken und Breakdance verbinden? Kann Breakdance aus Sinnesexperimenten entstehen? Petr Ochvat und Anna Propoková lösen den Breakdance aus der HipHop-Kultur, verstehen ihn als Repertoire aus Bewegungen und Posen. Die Tänzerin bewegt sich dicht am Boden, zu dem sie mit Armen, Händen und großen Teilen des Körpers Kontakt hält und gestaltet den leeren Raum, der sie umgibt, während sie Materialität, Gewichtsverlagerungen und winzige Bewegungen testet.
Samstag, 6. Juli
Die Kleinbürgerhochzeit | Carolin Millner, Sidonie von Krosigk, Maurice Lenhard, Maren Schwier, Johannes Mayer | Theater
Früher sagte man Kleinbürger. Heute heißt das Spießer. Das Phänomen existiert weiter, doch die Gesellschaft hat sich geändert, seit Brecht seine Kritik an kleinbürgerlichen Moralvorstellungen zu Papier brachte. Zeit, den Stoff zu entstauben: Im leeren Raum lässt Carolin Millner die Protagonistin ihres Einpersonenstücks nachvollziehen, was geschah: Wie ein Cyborg navigiert die Frau im Businesskostüm zwischen den verblichenen Figuren, die ihren Körper einnehmen, ist Braut, Bräutigam und ewig stichelnder Anhang, der die vergangenen Streitereien wieder aufleben lässt, zugleich. Eine millimetergenaue Rekonstruktion, die den Kleinbürger in uns allen sichtbar macht.
Von und mit: Carolin Millner (Regie), Sidonie von Krosigk (Darstellerin), Maren Schwier, Johannes Reischmann, Maurice Lenhard (Sänger).
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Before we continue please turn off the lights darling | Twosome Produktion | Tanz
"...ein gekonntes, selbstbewusstes Statement." (FAZ, 20.02.2013)
In einem Geflecht von gleichzeitig existierenden Räumen beschäftigt sich „Before we continue please turn off the light darling“ mit verschiedenen Arbeitsstrategien, um den Begriff der Intimität zu begreifen, ihn aus der gesellschaftlich konventionellen Wertung zu befreien und ihm abhängig vom Raum neue Gestalt und Form zu geben. Eine Bewegung wird erschlossen und umschlossen, ihre Qualität wird kommuniziert und erweitert. Dies geschieht in einem Geflecht von gleichzeitig existierenden Räumen. Wir unterscheiden den eigenen Körperraum, den Beziehungsraum zweier Menschen zueinander und den real existierenden Raum in dem man sich befindet. Wir erkennen, wie abhängig Intimität vom eigenen Befinden und den äußeren Umständen gelenkt wird.
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The song of a soldier on watch | Branko Miliskovic | Performance
“[Hans Leip] is the only German living in Germany during the war who has brought joy to the whole world." (Dwight D. Eisenhower)
Während der deutschen Besatzung Jugoslawiens im zweiten Weltkrieg wurde aus Radio Belgrad der Soldatensender Belgrad, sein Auftrag: Truppenunterhaltung. Sein größter Hit: Lale Andersens „Lili Marleen“. Der Witz daran: Der rasche Popularitätsanstieg des kritischen Liebeslieds auf beiden Seiten der Front, der einige Verantwortliche Truppenrevolten fürchten ließ, ausgelöst vom ‚morbiden und depressiven‘ Text.
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Video 'The song of a soldier on watch'
Weitere Aufführungen: 6. Oktober, Perform Now, Winterthur /CH