Die späte Kehrtwende
"Hate Radio" im Mannheimer Zeitraumexit
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Nicht einmal die Madonna, die auf einem der Tische des ruandischen Senders RTLM stand, konnte den Hass, der von dort aus verbreitet wurde, verhindern. Die Mitarbeiter dieses Hass-Radios bereiteten als Sprachrohr der extremistischen Hutus mit Mordaufrufen und Pamphleten den Genozid in Ruanda vor, bei dem 1994 mindestens 800 000 Angehörige der Tutsi-Minderheit und Tausende Hutus ermordet wurden.
Die Film-Dokumentation „Hate Radio“ über die gleichnamige Performance des Schweizer Autors und Regisseurs Milo Rau zeigt die Hintergründe der Theaterproduktion, die in einem Reenactment einen typischen Sendeabend rekonstruiert. Der Film, in dem neben den Schauspielern auch die Moderatoren, die sie darstellen, zu Wort kommen, bildete den Abschluss des Festivals der Samplingkultur „Supercopy“ bei Zeitraumexit. Eindrücklich zeigt Milo Rau dabei unter anderem am Beispiel des Belgiers Georges Ruggiu mit seiner zynischen Propaganda die Verführbarkeit des Menschen für extremistisches Gedankengut.
In seiner Heimatstadt Lüttich hatte der in der Sozialhilfe Tätige ruandische Studenten, die zu den Hutus gehörten, kennengelernt. Er ver-liebte sich ins „Land der tausend Hügel“ und glaubte alles, was er hörte. Nach Antritt seiner Stelle bei RTLM konnte er seinen Hass auf die Tutsi, die USA und die UNO voll ausleben. Eine Kehrtwende vollzog sich erst beim Prozess vor dem Internationalen Gerichtshof. „Vielleicht hätte ich ähnlich gehandelt, denn auch ich war radikal antiamerikanisch“, meinte sein Dar-steller Sébastien Foucault, recht ernüchternd.
Bettina Henkelmann