Tanz, Wort, Video – ein spannender Mix

Performance: Das Festival „frisch eingetroffen“ präsentiert „Streamlined“ und „Fluid Landscapes“ im Mannheimer Zeitraumexit

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Mannheimer Morgen

"Ich glaube, heutzutage ist es schwer für einen Künstler, sich in der künstlerischen Darstellung mit aktuellen sozialpolitischen Themen zu befassen", sagt Igor Koruga, während das auf der Bühne des Mannheimer Kunstzentrums Zeitraumexit in Stellung gebrachte Laufband unermüdlich Runde um Runde dreht. Dass es heutzutage schwer sei, glaube er, die Politik der Länder ernst zu nehmen, die Gegenstand von Sozialmanagement, Privatinteressen und Profit geworden sei. Aber er glaube an das Theater als einen öffentlichen Ort, um Soziales zu verhandeln - nicht nur als Raum für Repräsentation.

Und er glaubt an Choreographie als eine Übung in Veränderung, das erfahren wir weiter in der Performance "Streamlined", in welcher der serbische Künstler eine Stunde lang mantraartige (englischsprachige) Glaubensbekenntnis-Kaskaden entfesselt - und mit der zugleich das zweitägige "frisch eingetroffen"-Festival in dem Mannheimer Künstlerhaus eröffnet wird. Ein Performance-Mix aus Tanz, Sprache und Videos (in denen etwa Jeff Koons, Marina Abramovic, Lady Gaga, Madonna zu Wort kommen), in dem Koruga "die unterschiedlichen rhetorischen Mittel und Codes der heutigen Künstlergeneration und ihre Wirkung in der mediatisierten, neoliberalen und kapitalistischen Gesellschaft" untersucht, wie das Programm-Info verrät.

Dabei schreitet er sportiv zur Tat, verwandelt das Laufband gleichsam in einen Catwalk, exerziert Voguing-Bewegungen, wird abgeworfen, klammert sich fest, zeigt sich jovial, dann in hochfahrend deklamierendem, überzeichnendem Überschwang. Stärkster Moment der reizvollen, aber im Wortgestöber nicht unanstrengenden Performance: Koruga erhöht zunehmend das Laufband-Tempo - und aller Flitter und romantische Künstlerfolklore werden der Fliehkraft unterworfen.

Höchste physische Anforderungen an die jungen Künstler stellt auch die zweite, schwedische Produktion des Abends, "Fluid Landscapes", in der, von Guido Marko choreographiert, die Tänzerinnen Katrine Johansen und Louise Dahl agieren: Zunächst die Extremitäten eng am Körper gehalten, auf allen Vieren, scheint es, als würden sie sich selbst und ihre Umwelt behutsam zu erkunden beginnen.

Tänzerische Höchstleistung
Allmählich streifen sie ihre Kleidung ab, wirken dabei eigentümlich kreatürlich - fast wie sich in eine noch ungewohnte Form transformierende Organismen. Peu à peu erobern sie sich den Raum, gewinnen an Impulsivität, Souveränität, scheinen in diesem fließenden Prozess neben der physischen auch ihre Sinnes-Reichweite zu steigern. Eine durchaus bemerkenswerte, glänzend ausgeführte Aufführung, die zudem in ein fabelhaftes Sound-Design (Komposition: Lisa Steinberg) eingebettet ist.

Martin Vögele