Beunruhigende Bilder

Versöhnung von Kunst und Comic: Mannheimer Galerie Zeitraum/Exit zeigt Arbeiten von Stefano Ricci und dem Duo Olivier Deprez/Miles O"Shea

Zeitung

Die Rheinpfalz

Von Heike Marx

"Versuch sich an die Dunkelheit zu gewöhnen" nennt Tilo Schwarz die dritte Comic-Ausstellung, die er für die Galerie zeitraumexit in Mannheim zusammengestellt hat. Mit Stefano Ricci und dem Duo Olivier Deprez/Miles O"Shea präsentiert sie Künstler, deren spröde Arbeiten man gewöhnlich nicht dem zurechnen würde, was man gemeinhin unter Comic versteht.

Auch wenn ein Comic-Zeichner einen bemerkenswerten persönlichen Stil entwickelt oder beachtliche Neuerungen einführt, bewegt er sich doch in einem etablierten Genre, dessen wesentliche Charakteristika festgelegt sind. Er bringt Kunst in ein triviales Genre ein. Die drei vorgenannten Zeichner verfahren umgekehrt: Sie bedienen sich einiger Comic-Formen für ihre autonome künstlerische Äußerung.

Betrachtet man die Installation von Olivier Deprez und Miles O"Shea, die als "BlackBookBlack" firmieren, findet man darin nur wenige Spuren, die zu einem Comic führen, aber sehr viele, die aus der konkreten Kunst kommen. Sie haben Blätter mit schwarzen konstruktiven Formen optisch attraktiv an eine Leine geklammert. Die Formen gehören zwei gleichen Sets an und bestehen jeweils aus zwei komplexen spitzwinklig zulaufenden Flächen und fünf Rechtecken: einem größeren, drei kleineren identischen und einem ganz kleinen. Als Scheiben übereinandergelegt, bilden sie eine Art Buchkasten. Im Video sieht man sie sich zu ständig wechselnden Flächen umgruppieren, deren Teile nicht so perfekt ineinanderpassen wie die Scheiben in dem Buchkasten. Es gibt Spiele dieser Art, und etwas Spielerisches hat auch die Installation.

Stefano Ricci erzählt verstörende Bildgeschichten. Drei werden als Wandblocks von Bildoriginalen präsentiert. Die quadratischen Bilder sind nummeriert und in einer Mischtechnik auf Transparentpapier gezeichnet und gemalt, die einen schrundigen, materialhaften Charakter hat. Eine schwarze Grundzeichnung ist leicht plastisch weiß und gelb gehöht. Mit geübtem Blick lässt sich schon aus der Bilderreihung eine Bewegung nach Art eines Zeichentrickfilms herauslesen. In einer dunklen Koje kann man sie im Video erleben. Die suggestiven Bewegungen gnomartiger Gestalten entfalten eine beunruhigende Magie, denn in den kleinen Sequenzen geht es um Mutationen des Menschen.

Ein Professor tritt herein, der ein wenig wie Einstein aussieht. Er holt einen schmächtigen Jungen und stülpt ihm einen Kasten über. Darunter kommt, simsalabim, ein fettes Hundewesen in Hut und Anzug hervor. Es füllt die ganze Bildfläche aus, während sein Hundegesicht zunehmend deutlicher wird, schrumpft dann zusammen und entschwindet schließlich. In einer anderen Sequenz tritt einem Menschen ein Affengesicht gegenüber. Er versucht es zuzudecken, aber es kommt immer wieder hervor.

Ein Kartoffelmännchen nimmt sich angesichts solch tierischer Verunsicherungen einfach nur lustig aus. Aus dem Quadrat des Originals wird meist ein Kreisausschnitt belichtet. Stefano Ricci nutzt diese technische Machart auch für Videos aus dem ländlichen Leben, in denen ein Objekt herankommt und sich dann wieder entfernt.

Stefano Ricci wurde 1968 in Bologna geboren. Er lebt seit 2003 in Hamburg und hat dort seit 2005 einen Lehrauftrag an der Fakultät Medien, Information und Design. Er hatte zahlreiche internationale Ausstellungen und ist Mitarbeiten von Zeitschriften und Buchverlagen.

Stefano Ricci "Uomocane"