"Manchmal muss es weh tun"

Performance-Kunst mit Andrea Saemann, Stephen Dorothy und Wolfgang Sautermeister in Mannheim

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Die Rheinpfalz

Von unserer Mitarbeiterin Heike Marx

Der Performance-Abend „Solo“ gehört zum Jahresprogramm von Zeitraum/Exit in Mannheim. Vielseitigkeit und ein bisweilen größerer Ausstattungsaufwand – als visuelles Medium arbeitet Performance-Kunst mit Objekten und Inszenierungen – machen ihn zu einer besonderen Art von Marathon. Diesmal zu Gast waren Andrea Saemann aus Basel und Stephen Dorothy aus Belfast; Wolfgang Sautermeister vertrat Zeitraum/Exit.

Performance-Kunst speist sich aus bildender Kunst, Theater, Tanz und Musik. Die jeweilige Zusammensetzung orientiert sich an der Gattung, aus welcher der Performer primär kommt. Bei allen drei Solos war dies die bildende Kunst.
Obwohl erst wenige Jahrzehnte alt, hat Performance-Kunst bereits eine Geschichte. Andrea Saemann hat sich diese zum Thema gemacht. Ihr Beitrag „Feuer für Monika“ nimmt Arbeiten der deutschen Performerin Monika Günther auf und ist Teil einer „Performance-Saga“, die sich mit den Pionierinnen des Genres auseinandersetzt.
Pausenlos redend hielt Andrea Saemann die Zuschauer zuerst dadurch in Atem, dass sie ihnen zwei rote Bälle an einer langen Leine in heftigen Schwüngen fast um die Ohren schlug. „Manchmal muss es weh tun“, kommentierte sie. Performer stoßen bis zur Schmerzgrenze vor, übertreten diese auch bisweilen, sowohl bei sich selbst als auch bei den Zuschauern. Das blieb diesen an diesem Abend jedoch erspart. Nach den lustigen Schwüngen ballerte Andrea Saemann lautstark und unsichtbar in der Video-Koje herum.
Sie kam dann wieder hervor, saß lange still und kämmte sich die Haare mit Olivenöl vors Gesicht. In dieser Aufmachung stocherte sie mit einem Stecken auf einem Küchentisch herum, markierte dessen vier Ecken mit aufgeschlagenen Eiern, setzte den Hocker auf den Tisch und bestieg diesen Thron oder Turm, um verbal ein Feuer zu entfachen, das in seinen hervorgepressten Lauten ein wenig an Ernst Jandl erinnerte.
Als Gegenpol zu diesem Splitterporträt setzte der junge Stephen Dorothy die Einheit eines Action-Paintings. Er schrieb und schrieb und schrieb immer wieder das gleiche Wort in roter Kreide auf eine schwarze Tafel. Als das Publikum eingelassen wurde, hatte er sich schon so eingeschrieben, dass der Boden rot von Kreide und das Wort nicht mehr zu entziffern war. In die Schreibaktion legte er eine ganze Palette von Gefühlen und einen sich ständig wandelnden Energiefluss. Zum Schluss schmierte er sich den Ölkreidestaub ins Gesicht und über den Kopf, den er dafür zur Irokesenfrisur rasiert hatte, und breitete die Arme aus: Ecce homo!
Noch existentieller und mit religiösem Habitus legte Wolfgang Sautermeister seine Performance an, die länger war als die beiden anderen zusammen. Zur Endlosschleife monotoner Fürbitte-Anrufungen zelebrierte er kreatürliches Ausgesetztsein des Menschen in ritualisierten Handlungen: Unbehagen in der eigenen nackten Haut, Waschungen, heftige Sprünge zu aufbrausendem „Gloria“, Stehen auf einem Sockel, Ankleiden. Dann verschiedene Rituale, die in der Vergoldungsprozedur einer Gesichtsmaske endeten. Ihre eindrücklichsten Momente hatte die Performance in agierten Bildern, die an mittelalterliche Tafelmalerei erinnerten.
Als Kunst des Handelns ritualisiert Performance reduzierte existentielle Muster in Bildern, Bewegungen, formelhaftem Sprechen und Tun. Sie berühren um so mehr, je wiedererkennbarer sie in religiöse Vorstellungen zurückreichen. Das wirkt nicht nur, das ist archaisch düster und bedeutungsschwer. Am Anfang jeder Kultur stehen Rituale. Die meisten unserer sozialbindenden Rituale sind heute zerfallen. Lebt in uns Heutigen dennoch eine tiefe Sehnsucht nach Ritualen fort, die der Existenz Halt und Sinn geben soll?

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