Spielen mit Schiller

„Schwindelfrei": Parallel zu den Schillertagen gibt es erstmals ein Festival der freien Theatergruppen in Mannheim

Zeitung

Die Rheinpfalz

Die Schillertage werden erstmals auch dazu genutzt, sämtliche freien Theatergruppen Mannheims in einer gemeinsamen Festivalwoche vorzustellen. Im Gedenkjahr zum 250. Geburtstag des Dichters beschäftigen sich zusätzlich zu den Aufführungen im Nationaltheater die freien Profis der Stadt mit Schillers Losung „ Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt". Zehn Uraufführungen erwarten die Besucher vom 20. bis 27. Juni auf dem Festival „Schwindelfrei". Die beste Produktion wird mit einem Preis ausgezeichnet.

„Wir wollen nicht nur die etablierten Häuser, sondern auch die freie Szene unterstützen", sagt der Mannheimer Kulturdezernent Michael Grötsch. Die Stadt finanziert das Festival mit 95.000 Euro zusätzlichen Haushaltsmitteln, 35.000 Euro kommen von der Landesstiftung Baden-Württemberg, für einzelne Produktionen haben sich außerdem noch Sponsoren und Förderer gefunden. Es sei vorgesehen, das Festival langfristig zu etablieren und mit einem festen Betrag zu fördern, so Grötsch.

Die recht großzügige finanzielle Förderung hat es möglich gemacht, dass einige Gruppen auch externe Schauspieler und Regisseure hinzuziehen konnten. So hat das Theaterhaus TiG 7 für seine zweisprachige Produktion „Homo ludens" das britische Künstlerteam Third Angel gewonnen. Das Theaterhaus in G 7 wird zum Spielort, im Theatersaal entwerfen und erfinden vier Darsteller mit vier Zuschauern Lebensgeschichten. Verschiedene Interpretationen und Spielweisen einer Szene aus „Kabale und Liebe" stellen die Schauspieler und Regisseure Hubert Habig und Andreas Manz zur Diskussion. Sie beschäftigen sich damit, wie die Form den Stoff verändert, wie Fiktion Wirklichkeit wird.

Die Creative Factory im Gemeinschaftszentrum Jungbusch hat eine seltene Komödie Schillers mit dem Titel „Körners Vormittag" ausgegraben und fügt sie mit Splittern aus „Kabale und Liebe", „Die Räuber" und „Die Braut von Messina" zu einem Spiel. Der Jungbusch wird Regisseurin Lisa Massetti zur Bühne, die die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit verschwimmen lässt. Eigens für die Produktion „Elisabeth Tudor" haben sich die Schauspieler, Regisseure und Musiker Christiane Schmied, Monika-Margret Steger, Annette Dorothea Weber und Mike Rausch zusammengeschlossen. Königin Elisabeth spielt nochmals ihr Leben und die Hinrichtung Maria Stuarts durch.

Maike Lex und Konstanze Schmitt spielen auf dem Spielplatz des Schillerplatzes „Schillerspielplatz". Wilhelm Tell, Maria Stuart, Franz Moor und Friedrich Schiller selbst pokern mit Begriffen wie Kunst, Spiel, Schönheit und Nutzen. Mit ein wenig Glück gelangen die mitspielenden Zuschauer durch das Spiel zur Freiheit. Bei Zeitraumexit inszeniert René Arnold „Harry L. - Eine Auflösung". Der Nachlass eines geschiedenen Polizisten in Frührente, Fotoalben, Dias und Bücher, lässt über Spiel und Alltag nachdenken. In der Produktion treten auch eine Kinder- und eine Hunde-Tanzgruppe auf.

Die Theaterakademie begibt sich mit „Ich Schiller 2009 - Heimat gesucht" auf eine Wanderung zu verschiedenen Orten in der Stadt mit dem Ziel Werkhaus. Das Theater Oliv versucht mit einer Talkshow, mit Mitteln des Schauspiels und mit Musik den Menschen hinter der Maske zu ergründen. Talkshow-Gäste sind Polizeisprecher Martin Boll im Polizeipräsidium und die SPD-Landtagsabgeordnete Helen Heberer in der Kantine des Collini-Centers im zehnten Stock, wo ein wenig Schwindelfreiheit tatsächlich nicht schaden kann.

„Schiller darf nicht spielen" nennt das Improvisationstheater Drama Light seine gegen den Strich des Themas gebürstete Produktion. Die Lebensgeschichte eines Friseurs in dem Mode- und Friseurgeschäft „Dschungel" in S 6,3 soll Antworten auf die Frage geben: „Was ist der Mensch, wenn er arbeitet?" Das Theater Felina-Areal schließlich nähert sich Schillers Briefen zur ästhetischen Erziehung, indem es dem philosophierenden Dichter im Apfel- und Opiumrausch Begegnungen mit dem Revolutionär Saint Just, mit dem Räuber Franz Moor und Frauengestalten seiner Dramen vorgaukelt.

Das Festival beginnt am 20. Juni um 18 Uhr im TiG 7 und endet mit der Preisverleihung für die beste Produktion am 27. Juni um 22 Uhr im Theater Felina-Areal. Die Jury besteht aus der Dramatikerin und ehemaligen Hausautorin des Nationaltheaters Rebekka Kricheldorf, dem Geschäftsführer des Landesverbandes freier professioneller Theater Hessen, Jan Deck, und Christian Römer, Geschäftsführer der Neuköllner Oper. Der Preis ist mit 3000 Euro dotiert. Kriterien sind unter anderem der interessanteste Zugang zum Thema „Spiel" und die beste künstlerische Umsetzung. (huf)