Tantalos wird noch gepeinigt
Performance: Solo-Abend bei ZeitraumExit über das ewige Martyrium
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Von unserer Mitarbeiterin Sibylle M. Derr
Tantalos lebt noch immer und die Götter peinigen ihn mit immer neuen Qualen. Sie können ihn zwingen, nackt in einer Ecke zu stehen, wie von einer Furie besessen herum zu springen, sich mit einer Kerze zu geißeln, bis an den Rand des Wahnsinns immer und immer wieder das gleiche Wort zu schreiben oder Laute zu stammeln, die irgendetwas oder gar nichts bedeuten. Die "Solo"- Performances dreier Künstler im Zeitraum Exit verliehen dem ewigen Martyrium eine zeitgenössische Form.
Andrea Saemann beschwor mit einem Holunderast, der einer Wünschelrute glich, den Geist Monika Günthers herauf. Sie hatte ihm die Fingerkuppe einer Gummipuppe übergestülpt, die im Augenblick höchster Konzentration die Vibration des erregten Körpers auf die Tischplatte übersetzte. Die aus Basel stammende 45-jährige Performance-Künstlerin hat sich lange mit ihrem Vorbild Monika Günther auseinandergesetzt. Wie sie baut sie auf die Potenz des Augenblicks, auf karge Mittel und arbeitet mit Fundstücken.
Sehr ergreifend durchlief Wolfgang Sautermeister in seinem Solo "Bitte für uns" die Stationen mönchischen Zölibats, während eine weibliche Stimme aus dem Lautsprecher das Fürbittengebet monoton herunterleierte. Als wohlverdienten Lohn für das Martyrium klebten zwei Frauen dem Nackten Goldblatt auf Stirn, Nase, Wangen und Kinn. Dergestalt erhöht, ähnelte Sautermeister verblüffend den golden schimmernden Mosaiken mit Heiligen-Darstellungen in Ravenna. Seine Gesichtszüge schienen plötzlich ins zeitlose Ewige entrückt.
Ein großes Talent steckt in dem irischen Performance-Künstler Stephen Dorothy, der mit fast tänzerischer Anmut seinen Oberkörper in Schreibrichtung bog. Sisyphos gleich verrichtete er unermüdlich eine einzige Tätigkeit: Er formte mit roter Kreide immer wieder ein einziges Wort nach, wobei er unterschiedlich starken Druck ausübte und mit den Kratzgeräuschen auch die Nerven der Zuschauer strapazierte.