Wir werden ihn einfach nicht los
Im Mousonturm geht es um Hitler und Authentizität
Zeitung
Von Grete Götze
Das wird wieder so ein anstrengend-interessanter Abend im Geiste der Gießener Theaterwissenschaft, denkt man zunächst, wals einen auf der Studiobühne des Mousonturms vier Frauen im Abendkleid anstarren. Aber Susanne Zauns Performance "Krieg spielen oder Ich würde niemals bösartig eine Suppe essen" löst alles ein, was eine gute Performance braucht. Sie ist klug, lustig und bissig. Klug ist die Performance, weil sie anhand von Interviews mit Schauspielern wie Bruno Ganz die Frage stellt, wie sehr sich ein Schauspieler, der eine historische Figur verkörpert, mit seiner Rolle identifizieren muss. Muss Bruno Ganz Hitler in sich spüren, um ihn gut zu spielen und muss Tom Cruise erst so entschlossene Gefühle wie der Widerstandskämpfer Graf von Stauffenberg in sich aufstöbern, um ihn zu verkörpern?
Lustig ist die Performance, weil die Gießener Studentinnen das schauspielerische Streben nach Authentizität auf die Schippe nehmen, indem sie sich Zwiebel unter die Augen reiben, um besonders authentisch und dramatisch auszusehen. Auch lustig ist, wie joournalistische Befindlichkeitsfragen im Stil von 'Wie groß war ihr Respekt vor der Figur?' von den Zwiebelwasser löffelnden Frauen als hundertfach gestellt enttarnt werden.
Und bissig ist die Performance, weil nicht nur das Bühnenbilde, ein Birkenwald, kein Buchenwald, ironisch mit der nationalsozialistischen Last der Deutschen umgeht, die sich auch in zahlreichen Filmproduktionen niederschlägt. Dass wir Deutschen Hitler einfach nicht loswerden, bringt der zitierte Satz von Jenny Elvers-Elbertshagen über ihre Zusammenarbeit mit Christoph Schlingensief auf den Punkt: 'Immer kam von irgendwo Hitler. Von rechts kam er, von links kam er, von vorne, irgendwo kam immer Hitler.'
Aber wenn mit dieser Tatsache so intelligen umgegangen wird, wird es in jedem Fall interessant. Und wirft die Frage auf, wer sich im nächsten halben Jahr, wenn der Mousonturm in der Regie des neuen Intendanten Niels Ewerbeck umgebaut wird, in Frankfurt für gesellschaftskritische Performances zuständig fühlen wird.