Zuckerbrot und Peitsche

PErformance: Theater Felina Areal und zeitraumexit begeistern ihr Publikum in Mannheim mit einem langen Abend

Zeitung

Mannheimer Morgen

Von unserem Mitarbeiter Dennis Baranski

"Das ist kein demokratischer Raum", erklärt der junge Mann freundlich aber bestimmt und erstickt allen Missmut über die nicht frei wählbaren Plätze im Keim. Es ist eine kleine, doch nachhaltige Erfahrung von Zwang, die das Double-Feature des Theater Felina Areal und Künstlerhauses zeitraumexit eröffnet: Anna Peschke und Susanne Zaun nähern sich mit ihren Produktionen der bisweilen zweifelhaften Aufarbeitung des Nationalsozialismus durch das Medium Film.

Über den gesamten Bühnenraum des Theater Felina Areal sind kurze Stuhlreihen verteilt, wird das Publikum zum Teil von 'Ilsas Garten'. Gemessenen Schrittes schreitet Performerin Anna Peschke umher, der eindringliche Takt ihrer Stiefel generiert die gebotene Ehrfurcht, und geht routiniert ihrem grausigen Handwerk nach. NS-Schergin Ilsa aus Don Edmonds gleichnamigem Exploitationsfilm inspirierte die Künstlerin zu ihrem beeindruckenden Spiel mit dem Verhältnis zwischen Faschismus und Erotik.

Entwaffnend präsent

Völlig entmenschlicht tritt die Uniformierte auf, unnahbar und kühl, und wird zum Sinnbild einer klischeebesetzten Sado-Maso-Fantasie - mit einer Peitsche bewehrt, gleingt es Peschke entwaffnend präsent, durch mechanische, aber gleichsam laszive Bewegungsabläufe das sadistische Monster zu erotisieren. Dabei übrhöhen behutsam eingestreute Gesangseinlagen zeitgenössischer Chansons und Propagandalieder (Klavier: Christoph Wirth) die Figur zu einer begehrenswerten Grande Dame.

Man mag sie nicht, hat beinahe Angst vor ihr - und schmilzt dahin. Kleinteilig erarbetet die präzise Inszenierung den Erosionsprozeß Ilsas, die sich letztlich schutzlos den voyeuristischen Blicken ausliefert und voller Scham im Tode vergeht.

Bedrückt wechselt man den Spielort, wo Susanne Zauns Performance 'Krieg spielen oder Ich würde niemals bösartig eine Suppe essen' zunächst großzügig Raum zur Verarbeitung gewährt. Statisch stehen die vier Darstellerinnen zwischen Birkenstämmen auf der hartweißen zeitraumexit-Bühne und harren geduldig dem Verzehr der am Rand zubereiteten Suppe.

Es dauert eine angenehme Weile, bis sich Caroline Creutzburg, Isabell Dachsteiner, Katharina Runte und Anna Schewelew zu Tisch begeben, in eine synchrone Choreographie übergehen und plötzlich der bedeutungsträchtigen Spannung ein Ende setzen. Denn Zaun wählt für ihre auf Texten und Interviews mehr oder minder honoriger Schauspieler beruhende Arbeit bewusst nicht das Florett: Der Holzhammer erweist sich als ideales Handwerkszeug.

Enormer Spaß

Schonungslos wird die Auseinandersetzung der Mimen mit dem Nationalssozialismus als bestenfalls sinnfreie Aneinanderreihung scheinbar kluger Versatzstücke entlarvt - schlechterdings redet man sich um Kopf und Kragen. Mittels alberner Töne, klirrender Telle oder kitschig-dramatisierender Heldenmusik zum grotesken Höhepunkt - der Verleihung des Courage-Bambis an Tom Cruise - schlägt Zauns temporeiche Parodie das Medium mit seinen eigenen Waffen und beschert dem Publikum einen enormen Spaß.